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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Carlott Fontana
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»Aber heutzutage wissen
die jungen Dinger schon sehr früh über eine Menge Sachen
Bescheid, von denen wir erst viel später erfahren haben. Fernsehen,
Kino, Illustrierte, Bücher, Videos… Da brauchst du dich
nicht zu wundern.« Frau Rönsch schwieg. Ihr Mann trat an sie
heran und legte die Hand auf ihre Schulter. »Reizwäsche hat sich
unsere Kleine also gekauft. Weißt du, daß ich es schön finden
würde, wenn du auch einmal etwas Hübsches tragen würdest?
Etwas Reizvolles, ein bißchen Verruchtes?« Sie sah ihn fassungslos
an. »Daß du daran jetzt überhaupt denken kannst!« Sie stand
auf, schüttelte seine Hand ab und ging zum Fenster. Draußen lag
ein strahlender Sommertag unter heißer spanischer Sonne. Sie
fing wieder an zu weinen. Wo war Marion?
    Sie langten bei Nacht in dem verfallenen Gehöft an, ein Taxifahrer
hatte sie dort hingebracht. Während der ganzen Fahrt
überlegte Marion, ob es eine Gelegenheit zur Flucht gab, aber sie
resignierte rasch. Marco saß neben ihr und hielt ihre Hand,
scheinbar liebevoll, aber der Griff seiner Finger war eine Spur zu
hart. Sollte sie den Taxifahrer um Hilfe bitten? Marco verständigte
sich auf französisch mit ihm. Marion hatte in der Schule ein
bißchen Französisch gelernt, aber was hätte sie sagen sollen? »Ich
bin ein Mädchen aus Deutschland, das während einer Party auf
einem Schiff, das vor Marbella ankerte, entführt und hierhergebracht
wurde. Dieser Mann neben mir hält mich gegen meinen
Willen fest. Bitte helfen Sie mir. Bringen Sie mich zur Polizei!«
Doch das kleine braune Gesicht des Fahrers flößte ihr wenig
Zutrauen ein. Seine kohlschwarzen Augen blickten schlau und
fast verschlagen. Wie würde sich ihre Geschichte für ihn anhören?
Eine Räuberpistole? Etwas Alltägliches? Etwas, in das man
sich besser nicht einmischte? Was galt eine Frau in diesem Land?
Wahrscheinlich weniger als ein Kamel. Im Zweifelsfall würde der
Taxifahrer womöglich eher zu Marco halten, der eine seidene
Krawatte und einen protzigen Ring am Finger trug und von dem
er ein üppiges Trinkgeld erwarten durfte. Das Risiko war zu groß.
Wenn sie jetzt einen Versuch machte, der dann fehlschlug, konnte
sie Wochen und Monate damit zubringen, Marcos Mißtrauen
zu zerstören. Wenn es ihr überhaupt je gelang. Sie lehnte sich in
ihren Sitz zurück und hielt den Mund.
    Bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen, und ödes, von
hohem Gras bewachsenes Land tat sich vor ihnen auf. Es war zu
dunkel, als daß Marion Genaues hätte erkennen können, aber
jedenfalls sah sie nirgendwo ein Licht durch die Finsternis
schimmern. Das bedrückte sie. Offenbar gab es wirklich weit und
breit keine menschliche Behausung.
    Als das Taxi hielt, stieg Marion sofort aus. Marco mußte noch
bezahlen, aber die schnelle Idee, blitzschnell in der schwarzen
Nacht unterzutauchen, verwarf sie sofort wieder, als ihr klar
wurde, daß sie nicht weit kommen würde. Man sah ja kaum die
Hand vor den Augen! Sie würde sich hoffnungslos verlaufen
oder sogar noch über Steine oder Wurzeln stolpern und sich
etwas brechen. Im Scheinwerferlicht konnte sie Marcos Gesichtsausdruck
sehen, mit dem er sich nach ihr umblickte. Nervosität
und Mißtrauen. Der Mann war ein harter Brocken; er
redete zwar ständig von Freundschaft und Liebe, aber er blieb
auf der Hut und traute seiner Gefangenen nicht über den Weg.
Sie fragte sich, wie es ihr jemals gelingen sollte, ihn zu überlisten.
    Das Taxi verschwand, und mit ihm die letzte Verbindung zur
Außenwelt.
    »Komm«, sagte Marco. Er ging vorneweg, jetzt schon etwas
sorgloser. Er wußte, daß Marion nicht weglaufen konnte.
    Von innen wirkte das Haus viel weniger verfallen als von außen,
außerdem war es überraschend gemütlich eingerichtet. Teils
orientalische, teils europäische Möbel, nicht ungeschickt aufeinander
abgestimmt, vermittelten eine Atmosphäre von Behaglichkeit
und Komfort. »Wem gehört das Haus?« erkundigte sich
Marion. »Einem Kaufmann aus Marrakesch. Er ist aber praktisch
nie hier. Meistens vermietet er es, oft an Touristen. Gefällt es
dir?«
    »Es ist sehr schön. Wie für uns gemacht, nicht wahr? Unser…
Liebesnest…«
    Marco hatte eingekauft und breitete ein Festmahl auf dem
Tisch vor dem Kamin aus. Er zündete ein Feuer an, brachte alle
Kerzen herbei, die er finden konnte, und schaffte die perfekte
Inszenierung für das Bild: Candlelight Dinner für zwei Verliebte.
Marion würgte ein

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