Schwarzer, Alice
sich aber abwenden, so hast du nur die Botschaft
auszurichten (und bist für ihren Unglauben nicht verantwortlich). Gott durchschaut
die Menschen wohl.« (Koran 3:20)
So gilt es auch selbstverständlich als Recht oder sogar
Pflicht eines jeden Muslims, einer jeden Muslimin, da 'wa zu betreiben; andere also zum Islam einzuladen, aber auch
nachlässige Muslime zu einer streng islamischen Lebensführung anzuhalten. Für
die überwältigende Mehrheit der hier lebenden Muslime von areligiös bis streng
religiös, spielen diese Überlegungen heute in Bezug auf ihre nicht muslimische
Umgebung keine Rolle. Doch gibt es ein mehr und mehr deutliches Bemühen
konservativer Verbände und Einzelkämpfer, den Auftrag des Korans und das
Vorbild des Propheten ernst zu nehmen und auch auf die westliche Welt -
Deutschland eingeschlossen - zu beziehen. Mit dem Hinweis auf eine wachsende
Zahl konversionswilliger Europäer soll der Islam als die zukünftige Religion
Europas erscheinen, für die offen geworben wird.
Dies gilt keineswegs nur für die extrem konservativen salafitischen
Strömungen des Islam, die insbesondere in Gestalt des aggressiv-kämpferischen
Konvertiten Pierre Vogel von sich reden machen, sondern auch für
Moschee-Gemeinden, die dem türkischen Staatsislam, der in Deutschland über die
Religionsbehörde DITIB organisiert ist, zuzuordnen sind. Auf der Homepage der
1995 eröffneten Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim wird der Islam unter der
Überschrift »Was ist Islam/wie wird man Muslim(a)« ganz unumwunden als eine
Religion für alle Völker angepriesen, die ein umfassendes Regelwerk für das
menschliche Leben anbietet, dem zu folgen ureigene Berufung eines jeden
Menschen sei. Jeder andere Weg, den Menschen beschreiten mögen, sei irrig und
führe ins Verderben. »>Sprich: Was denkt ihr? Wenn die Strafe Allahs über
euch kommt oder die Stunde (Tod) euch ereilt, werdet ihr dann zu einem anderen
rufen als zu Allah (dem einen, einzigen Gott), wenn ihr wahrhaftig seid?<
(Koran, 6:40) Doch dies wird dann zu spät sein, denn der Witz des Lebens
besteht gerade darin, rechtzeitig zu erkennen, wer ER ist, und wer wir sind,
und ob wir Muslime, sprich: sich dem einen, einzigen Gott unterwerfende, werden
oder auch nicht.« Im Anschluss an diese unmissverständliche Warnung werden
konkrete Hinweise und Kontaktmöglichkeiten für eine Konversion zum Islam
angeboten. Würde umgekehrt eine der großen Kirchen so direkt und unmissverständlich
zur Annahme des Christentums aufrufen, wären die Reaktionen ohne Zweifel empört
und heftig - nicht nur auf muslimischer Seite.
Die Konversion zum Islam ist denkbar einfach. In dem Bewusstsein,
der wahre Glaube für alle Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort zu sein, wird
grundsätzlich niemand abgewiesen, der ernste Absichten glaubhaft macht und
gegebenenfalls nachweisen kann - zum Beispiel durch eine Bescheinigung über
den Kirchenaustritt -, dass er keine andere religiöse Bindung mehr hat. Der Übertritt
besteht im Aussprechen des islamischen Glaubensbekenntnisses: »Ich bekenne,
dass es keinen Gott gibt außer Gott und dass Muhammad der Gesandte Gottes
ist.« Das Bekenntnis muss in arabischer Sprache erfolgen und wird dem
Kandidaten bei Bedarf Silbe für Silbe vorgesprochen.
In der Regel sollten zwei männliche Zeugen anwesend sein -
ersatzweise auch ein männlicher und zwei weibliche. Ob im Einzelfall, zum
Beispiel bei telefonischen Konversionen, auf Zeugen verzichtet werden kann, ist
umstritten. Grundkenntnisse über den islamischen Glauben und die entsprechende
Lebensweise müssen bei der Konversion nicht zwangsläufig vorhanden sein oder
nachgewiesen werden. Oftmals wird sogar dazu geraten, bei Interesse am Islam
zunächst zu konvertieren und sich danach über Theorie und Praxis des Islam zu
informieren. Dieser Empfehlung, die zum Beispiel vom Islamischen Zentrum in
München, dem Hauptsitz der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland IGD,
ausgesprochen wird, liegt neben dem Streben nach möglichst vielen Neomuslimen
die Überzeugung zugrunde, dass der Islam die ursprüngliche und von Gott
gewollte Religion eines jeden Menschen ist, zu der er eigentlich nicht
konvertiert, sondern zurückkehrt.
In der Regel erfolgt direkt nach dem Übertritt eine erste
Unterweisung in islamischer Lebensführung und Gebet. Mit der Konversion zum
Islam ist die Annahme eines islamischen Vornamens üblich, aber nicht zwingend.
Eindeutig christlich geprägte Vornamen wie Paul oder Christina
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