Schwarzer, Alice
ihnen seitens ihrer Familien,
des sozialen Umfeldes und, je nach Land, auch der staatlichen Behörden ausgesetzt
sind, ist immens. Viele Konvertitinnen sehen vor diesem Hintergrund in der
Emigration den einzigen Ausweg. Doch selbst in ihrem europäischen,
amerikanischen oder australischen Gastland haben sie begründete Angst vor dem
verlängerten Arm der Repression und scheuen oftmals das Licht der
Öffentlichkeit. Hiesige Medien beugen sich dem Druck und schenken dem Thema
nur selten Beachtung.
Vorsichtige Schätzungen gehen von derzeit 6.000 bis 8.000
ehemaligen Musliminnen in Deutschland aus, die sich heute zum Christentum
bekennen. Im Vergleich zu früheren Jahren ist die Zuwanderung von Muslimen
deutlich reduziert und für die Entwicklung vor allem das innere
Bevölkerungswachstum der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland in den Blick
zu nehmen. Dabei wird deutlich, dass die Geburtenrate muslimischer Familien im
Durchschnitt etwas höher liegt als die nicht muslimischer Familien. Sie hat
sich jedoch in weiten Teilen hiesigen Verhältnissen angepasst. Das Vorurteil
»Und dann kriegen die ein Kind nach dem anderen« war noch nie sonderlich
intelligent, entbehrt aber heute jeder realen Grundlage. Einzelnen
kinderreichen Familien, die es im Übrigen nicht nur bei Muslimen gibt, steht
eine zunehmende Anzahl von muslimischen Kleinfamilien gegenüber. Wenn also ein
exponentielles Wachstum der muslimischen Bevölkerung in Zahlen vorausgesagt
wird, so müsste entweder die Geburtenrate der hier lebenden Musliminnen
wenigstens dreimal so hoch sein wie die ihrer jeweiligen Herkunftsländer oder
aber es tatsächlich zu scharenweisen Übertritten zum Islam kommen, ohne
nennenswerte Gegenbewegung. Das eine ist so unrealistisch wie das andere. Zu
berücksichtigen ist allerdings, dass die muslimische Wohnbevölkerung
Deutschlands im Durchschnitt jünger ist als die Gesamtbevölkerung. Damit ist
die Zahl derer, die kurz- oder mittelfristig in die Familiengründungsphase
eintreten, relativ hoch.
Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten prognostiziert
eine Studie der Universität Tübingen für das Jahr 2030 eine muslimische Gesamtbevölkerung
in Deutschland von etwa sieben Millionen, was dann etwa einem
Bevölkerungsanteil von zehn Prozent entsprechen könnte. Diese Zahl ist bereits
recht hoch gegriffen. Darüber hinaus sind keine seriösen Prognosen zu treffen.
Die muslimische Bevölkerung wird dann aber wohl eine vergleichbare
Alterspyramide aufweisen wie die nicht muslimische und sich weiter den
hiesigen Geburtenraten angepasst haben - ein Prozess, der bereits heute weit
fortgeschritten ist.
Muslime und Christen bekennen sich in aller Regel zum
Recht auf Religionsfreiheit, aber meinen sie damit auch dasselbe? Artikel 4
Absatz 1,2 unseres Grundgesetzes besagt dazu: »1) Die Freiheit des Glaubens,
des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen
Bekenntnisses sind unverletzlich. 2) Die ungestörte Religionsausübung wird
gewährleistet.« Religionsfreiheit im Islam bedeutet hingegen zunächst die
Freiheit der Musliminnen, ihren Glauben auszuüben. Daneben gewährt das
islamische Recht den sogenannten Schriftbesitzern - Juden und Christen - die
Möglichkeit, als Bürgerinnen zweiter Klasse im islamischen Staat zu leben und
ihren Glauben gegen Zahlung einer Abgabe zu behalten und zu praktizieren.
Schließlich bedeutet Religionsfreiheit die Freiheit aller, den Islam anzunehmen.
Hingegen hat der Muslim nicht das Recht, zu einer anderen
Religion zu konvertieren, Nichtmuslime dürfen zu keiner anderen Religion als
dem Islam konvertieren. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen das westliche
Verständnis von Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Direkt betroffen sind wir,
wenn ehemalige Muslime auch hier in Angst leben und bekennende
>Abtrünnige< wie die Gründerin des »Zentralrats der Ex-Muslime«, Mina
Ahadi, aus gutem Grund unter Polizeischutz stehen. Wenn also der Widerspruch
zwischen einem konservativ-islamischen Verständnis von Religionsfreiheit und
dem westlichen Gegenkonzept offensichtlich ist, wird es bei der Auslegung der
grundgesetzlich zugesicherten Freiheit der Religionsausübung kompliziert.
Für die christliche Religionsausübung ist dieser
rechtliche Rahmen im Großen und Ganzen ausreichend, denn die Ausgestaltung
christlichen Lebens im Alltag obliegt in weiten Teilen der persönlichen
Verantwortung und Gestaltung der Gläubigen und kollidiert in aller Regel weder
mit anderen
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