Schwarzer Engel
dass es so war. Für immer. Wenn sie die Wahrheit wüssten, würden sie ihn umbringen wollen. Und da alle außer Gwen Auftragsmörderinnen waren, und zwar verdammt gute, würde sie sich in dem Fall schon bald als stolze Eigentümerin von Lysanders Kopf wiederfinden.
Was sie nicht wollte.
Sie wollte ihn. Dummes Mädchen .
„Nur dass du’s weißt, nach ein paar Jahren hätte ich aufgehört, dich damit aufzuziehen“, bemerkte Kaia. „Du hättest ihn behalten sollen. Hätte lustig werden können, ihn auf die dunkle Seite zu ziehen.“
Er wollte genauso wenig auf die dunkle Seite wechseln wie sie auf die des Lichts. Sie waren zu verschieden. Es würde niemals funktionieren. Es war das Beste gewesen, sich zu trennen. Also, warum kam sie nicht darüber hinweg? Warum spürte sie seinen Blick auf sich, jede Minute eines jeden Tages? Selbst jetzt, während sie aussah wie eine Südstaatenschönheit auf Crack?
„Also, Sabin hat keinen Nachnamen“, wandte sie sich an Gwen und lenkte die Aufmerksamkeit von sich fort. „Nennst du dich dann Gwen Sabin?“
„Nein, nicht so was Blödes. Ich nenne mich Gwen Lord.“
„Wie will Anya sich denn nennen? Anya Unterwelt?“, fragte Kaia und lachte.
„Wie ich unsere Göttin kenne, wird sie verlangen, dass Lucien ihren Nachnamen annimmt. ‚Ärger‘. Oder ist das ihr zweiter Vorname?“
„Ich hier, ich hier“, kreischte es plötzlich auf Hüfthöhe. Legion drängelte sich vor Bianka und Kaia. Auch sie trug ein gelbes Kleid. Nur dass ihres mit noch mehr Bändern, Schleifen und Stoffrosen besetzt war. Mit den Händen umklammerte sie einen Blumenkorb, die zu langen Nägel um den Henkel gekrümmt. Aber die Krönung war ihre Tiara. Weil sie keine Haare hatte, war Kleber nötig gewesen, um sie auf ihrem Kopf zu befestigen. „Anfangen jetzzzzt.“
Eine Erlaubnis wartete sie nicht ab, sondern platzte einfach zur Tür hinein. Die Hochzeitsgesellschaft – die aus den Herren der Unterwelt, ihren Gefährtinnen und einigen Göttern und Göttinnen bestand, die Anya kannte – wandte sich um und japste synchron auf, als sie die Dämonin entdeckten. Na ja, alle bis auf Gideon. Der war bis vor Kurzem in der Gefangenschaft der Jäger gewesen, der Erzfeinde der Herren, und bei ihren Folterungen hatten sie ihm unter anderem die Hände abgehackt – seine Füße waren auch nicht unbedingt im besten Zustand. Wegen seiner Verletzungen war er mehr als schwach, deshalb lag er auf einer fahrbaren Krankentrage, kaum bei Bewusstsein. Doch er hatte darauf bestanden, dabei zu sein.
Von seinem Platz aus lächelte Aeron nachsichtig, als Legion mit rosa Blütenblättern um sich warf. Gerade als sie am Podium angelangte, hastete auch Paris hinauf. Er sah blass und gehetzt aus. Sabin hieb ihm zur Begrüßung die Faust gegen den Oberarm.
Sabin sah umwerfend aus. Er trug einen schwarzen Smoking, das Haar zurückgegelt, und als er sich zur Tür umwandte und nach Gwen suchte, leuchtete sein Gesicht auf. Voller Liebe. Voller Stolz.
Biankas Eifersucht wuchs. Sie wollte das auch. Wollte, dass ihr Mann sie in jeder Hinsicht perfekt fand. War das zu viel verlangt?
Offensichtlich. Dämlicher Lysander .
„Los, los, los“, befahl Gwen und gab ihnen einen kleinen Schubs.
Bianka setzte sich in Bewegung und ging auf Strider zu, der ihr als Partner zugewiesen worden war. Lächelnd sah er zu ihr herab, als sie sich neben ihn stellte. Er wäre stolz, mich seine Frau nennen zu dürfen, dachte sie. Sie versuchte, die Geste zu erwidern, doch ihre Augen waren zu sehr damit beschäftigt, sich mit Tränen zu füllen. Auf der Suche nach Ablenkung blickte sie sich um.
Die Kapelle war wirklich wunderschön. Die funkelnden weißen Blumen, die sie an der Decke aufgehängt hatte, waren dicht und üppig, wie ein Himmel, eine Zuflucht. Das war das Beste an der ganzen Dekoration, wenn man sie fragte. Golden flackernder Kerzenschein mischte sich mit warmen Schatten.
Kaia trat an ihre Seite, alle außer Gideon erhoben sich. Die Musik veränderte sich, ging in den Hochzeitsmarsch über. Dann erschienen Gwen und Taliyah. Sabin stockte offensichtlich der Atem. Ja, so sollte ein Mann reagieren, wenn er seine Frau erblickte.
Wie kommst du auf die Idee, du wärst je Lysanders Frau gewesen?
Weil sie seine eine große Versuchung war. Wegen der ehrfürchtigen Art, auf die er sie berührt hatte. Weil es ihr gefiel, was sie in seiner Gegenwart empfand. Weil sie einander ergänzten. Weil er sie auf eine Weise vervollständigte, von der
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