Schwarzer Regen
da mit einem
Dutzend Pfirsichen in einem Korb. Die Sorte heiße „Okubo“, erklärte er uns. Sie
waren wirklich noch ziemlich grün, aber Frau Nojima schälte uns welche.
Herr und Frau Nojima helfen ständig anderen
Leuten in ihrer Nachbarschaft. Herr Nojima soll jahrelang mit einem links
stehenden Gelehrten, einem gewissen Herrn Matsumoto, befreundet gewesen sein.
Seit sich der Krieg verschärft hat, ist er jedem im Wohngebiet besonders
gefällig, damit die Behörden keinen Verdacht schöpfen. Herr Matsumoto, der vor
dem Krieg eine amerikanische Universität besucht hat und im Briefwechsel mit
Amerikanern stand, ist schon mehrmals von der Militärpolizei verhört worden. Er
bemüht sich deshalb auch, zu den Leuten im Rathaus wie zu den Beamten in der
Präfektur und den Mitgliedern des Selbstschutzes ausgesucht höflich zu sein,
und immer wenn es Fliegeralarm gibt, ist er der erste, der auf die Straße
stürzt und umherläuft und „Alarm! Fliegeralarm!“ schreit. Seine Wickelgamaschen
nimmt er nie ab, nicht mal zu Hause. Er soll sich sogar erboten haben, an den
Bambusspeerübungen für Frauen teilzunehmen. Es ist wirklich traurig, mit
anzusehen, wie ein so geachteter Gelehrter sich bemüht, es jedem recht zu tun.
Als wir einmal über sein Verhalten sprachen, meinte Onkel Shigematsu: „Daran
erkennt man doch, daß manches in der Welt falsch ist, wenn ein Mann wie Herr
Matsumoto sich so von den Beamten schurigeln läßt. Das erinnert mich an die
Redensart: ,Mitunter ist in der feinsten Barke eine
Ladung Rüben verborgen.’ Aber ich finde nicht, daß das auf sein Verhalten
zutrifft. Man könnte ihn mit dem großen Helden aus der Geschichte vergleichen,
dem Mann der Tat, den die Umstände gezwungen haben, Blumen zu züchten,
wenigstens für eine Weile — aber das trifft es ebenfalls nicht ganz. Er gehört
auch nicht zu den politischen Mitläufern“. Nein, es liegt an der
Spionagehysterie, daran liegt’s, daß sich Leute wie er so verhalten. Aber ich
meine, es kommt die Zeit, da jeder seine echten Werte zeigen kann, und wenn die
Zeit gekommen ist, dann sollte er dastehen wie ein Mann!“
Herr Matsumoto könnte sich jederzeit evakuieren
lassen, aber er hat einfach Angst, als Spion verdächtigt zu werden, und hastet
daher von früh bis spät wie besessen umher, um anderen Leuten zu helfen. Selbst
wenn Herr Nojima in einer ähnlichen Lage ist, frage ich mich, ob wir das
wirklich ausnutzen und zulassen sollten, daß er für uns Autofahrten macht und
unsere Sachen aufbewahrt. Ich kann mir denken, daß er meine Kimonos, mein
Reifezeugnis und dergleichen vor dem Krieg als wertlosen Plunder angesehen
hätte.
Frau Nojimas Elternhaus macht einen sehr
großzügigen Eindruck. Wie viele Morgen Land — oder eher, wie viele Dutzend
Morgen Land — gehören wohl zu einem Hof in diesem Stil? Ich dachte gerade
darüber nach und blickte auf den Ziergarten mit den großen und kleinen
Felsbrocken hinaus, als die Sirene ertönte — Entwarnung. Meine Uhr stand auf
acht. Jeden Morgen um diese Zeit hatte ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug
vom meteorologischen Dienst das Stadtgebiet von Hiroshima überflogen, ohne uns
etwas zu tun, daher nahm ich an, es sei wieder dasselbe, und vergaß es. Ein
paar Kinder aus der Nachbarschaft spielten im Garten bei dem Lastkraftwagen,
der durchs Tor gefahren war; sie kletterten hinauf oder hingen außen dran. Frau
Nojimas Vater brachte alle Zutaten für die Teezeremonie herbei und sagte, er
würde uns mit einer Schale Pulvertee bewirten. Da ich den Ablauf der Zeremonie
nicht kannte und die jüngste war, setzte ich mich auf den untersten Platz.
Im Raum war es angenehm kühl. Der alte Herr nahm
den Deckel des eisernen Kessels ab, in dem es zu kochen begonnen hatte — in dem
Moment leuchtete draußen ein entsetzlicher bläulich-weißer Blitz auf, er schien
von Ost nach West zu zucken, vom Zentrum Hiroshimas auf die Berge hinter Furue
zu. Er sah aus wie eine Sternschnuppe, so groß wie hundert Sonnen. Fast
gleichzeitig krachte es gewaltig. „Was war das eben für ein Blitz!“ hörte ich
den alten Herrn ausrufen. Wir sprangen alle auf, stürzten hinaus und kauerten
uns hinter die Felsbrocken im Ziergarten oder hinter Baumstämme. Die Kinder
waren vom LKW gesprungen und rannten sich gegenseitig um, während sie durch das
Tor zu kommen suchten, als ob einer hinter ihnen her wäre. Einer von ihnen war
hingefallen, rappelte sich wieder auf und lief hinkend davon — er hatte wohl
auf dem Rand des
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