Schwarzer Regen
Grundstück hinter dem Hügel, zu dem privaten Zuchtteich, in dem er
zusammen mit Shokichi und Asajiro die Jungkarpfen aufzuziehen gedachte. Den
Sommer über wollten sie sie mit Reiskleie und Seidenraupenpuppen füttern und
dann in den See bei Agiyama setzen.
Im Dorf hatten etwa ein Dutzend Leute an der
Strahlenkrankheit gelitten, nur drei waren am Leben geblieben — leichte Fälle
darunter auch Shigematsu. Alle drei hatten das Fortschreiten der Krankheit
durch gesunde Kost und viel Ruhe eingedämmt. Allerdings genügte das keineswegs,
und es tat dem Patienten auch gar nicht gut, einfach den ganzen Tag im Bett zu
liegen. Der Arzt hatte leichte Beschäftigung in der Wirtschaft und
„Spaziergänge“ empfohlen. Nur kam es für ein Familienoberhaupt, das scheinbar
bei bester Gesundheit war, überhaupt nicht in Frage, müßig durchs Dorf zu
schlendern. Man konnte tatsächlich nicht einfach „spazierengehen“. Ein
„Spaziergang“ verstieß gegen alle Sitten und Gebräuche der Dorfbewohner und war
daher schon im Prinzip nicht denkbar.
Aber sollten sie nicht statt
dessen angeln gehen? Sowohl der Doktor in der Klinik als auch der
Herzspezialist in Fuchu hatten gesagt, Angeln sei bei leichten Fällen von
Strahlenkrankheit sehr wohltuend, einmal psychologisch und darüber hinaus als
zusätzliche Quelle fetthaltiger Nahrung. Wenn man vom Kahn aus angelte, zum
Beispiel den Ayu, konnte man sich leicht verkühlen, doch mit der Angel am Ufer
eines Sees zu sitzen war eine ideale Heilbehandlung; man schlug sozusagen zwei
Fliegen mit einer Klappe. Während man angelte, war das Denkvermögen zeitweilig
ausgeschaltet, so daß sich für die Hirnzellen derselbe Ruhezustand ergab wie
bei tiefem Schlaf. Trotz allem, wer in einem Alter angeln ging, wo er
eigentlich Besseres leisten konnte, würde immer von anderen, die schwer zu
arbeiten hatten, schief angesehen werden. Shigematsu und Shokichi hatten sich
gerade deswegen kränkende, sarkastische Bemerkungen ins Gesicht sagen lassen
müssen. Die beste Zeit, um im Fluß oder in den Seen zu angeln, war die
Jahreszeit, in der es auf den Feldern die meiste Arbeit gab und jeder von früh
bis spät Weizen mähte und Reispflanzen steckte. Das Wetter hatte nach einem
Regenschauer gerade aufgeklärt. Shigematsu und Shokichi angelten am Damm des
Sees bei Agiyama, als die Witwe Ikemoto ihnen im Vorbeigehen zurief: „Schönes
Wetter heute, was?“
So weit, so gut, aber sie blieb sogar stehen und
meinte garstig: „Ihr angelt wohl? Ich muß schon sagen, manche Leute haben ein
Leben, wenn man bedenkt, wie alle anderen sich abrackern.“
Sie hatte ein Baumwollhandtuch um den Kopf
gewunden und trug einen leeren Bambuskorb auf dem Rücken.
„Was soll denn das heißen?“ sagte Shokichi und
blickte unverwandt auf seine Pose im Wasser. „Ist das nicht Ikemotos Witwe? Was
meinst du denn damit, Frau?“
Anstatt weiterzugehen, wie es sich gehört hätte,
kam sie sogar noch näher an den Damm heran.
„Also, was soll das heißen, ‚manche haben’s gut’“,
fuhr der sonst zurückhaltende und höfliche Shokichi fort. „Wenn du uns meinst,
regst du dich umsonst auf, ganz umsonst. Vielleicht kannst du dir einen etwas
höflicheren Umgangston zulegen.“
Die Spitze seiner Angelrute zitterte vor
Entrüstung. „Sieh mal“, fuhr er fort. „Wir sind strahlenkrank, und wir angeln
Plötzen auf ärztliche Anordnung... Du meinst wohl, wir haben’s gut, weil wir
krank sind, wie? Ich würde viel lieber ordentlich arbeiten, kann ich dir sagen,
egal was. Aber Leute wie wir brauchen bloß ein bißchen fest zuzupacken, und
schon geht’s ihnen dreckig, gleich bricht diese verfluchte Krankheit aus.“
„Na so was! Und ihr nutzt das natürlich nicht
aus, daß es euch beim Angriff erwischt hat, nicht wahr?“
„Nun reicht’s aber! Halt den Mund! Spaß muß Spaß
bleiben! Du hast wohl vergessen, wie du mich besucht hast, als ich von
Hiroshima zurückkam. Oder waren das nur Krokodilstränen? Ich weiß noch, wie du
geheult hast; ein ,hehres Opfer’ hast du mich damals
genannt.“
„Hab ich — wirklich? Aber das war noch vor
Kriegsende. Na, jeder hat doch während des Krieges so was gesagt. Ich glaube,
du willst bloß einen Streit vom Zaune brechen. Mir das jetzt vorzuwerfen!“
Sie wollte immer noch nicht weitergehen — eine
typische Witwe, in ihrem Bestreben, sich nicht unterkriegen zu lassen.
„Du bist mir ja einer, Shokichi“, fuhr sie fort,
„mich daran zu erinnern, wie ich dich besucht hab, als
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