Schwarzer Skorpion - Thriller (German Edition)
völlig überrascht, denn damit hatte sie nicht gerechnet.
„Hier in Marrakesch funktioniert die Kommunikation eben schneller als in Europa!“ Abdullah schüttelte fassungslos den Kopf. „Was ist nur in dich gefahren? Bist du noch zurechnungsfähig?“
Ächzend wuchtete Abdullah seinen feisten Körper von dem Hocker und watschelte hinter den Tresen. Seine Stimme hatte den weichen Klang verloren und die hinter Fettwülsten halb verborgenen Augen in seinem feisten Krötengesicht funkelten wütend.
„Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich liefere dich an den Schwarzen Skorpion aus, damit er dich bestraft, oder du kaufst dich bei mir frei und verschwindest augenblicklich aus der Stadt. In jedem Fall müssen wir unsere Geschäftsbeziehung sofort beenden.“
„Du hast ja so recht, verzeih mir bitte!“ Ruth senkte demütig den Kopf und die Ader in der Mitte ihrer Stirne schwoll erneut an. Sie war nach Marrakesch geflogen, um David Stein aufzuspüren, um als Schatten in seiner Nähe zu sein, damit er seinen Auftrag durchführen konnte, für den er ein Honorar von einer Million Dollar bekam.
Das war im Grunde ganz einfach, doch jetzt machte ihr Abdullah Schwierigkeiten und wollte sie an den Schwarzen Skorpion ausliefern, an jenen Mann, den David Stein aufspüren musste.
„Wo ist dieser Schwarze Skorpion?“, fragte sie. „Ich stelle mich freiwillig!“
„Niemand kennt den Schwarzen Skorpion. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Abdullah keuchte und sein dickes Gesicht wurde rot vor Wut. „Ich liefere dich aus, und zwar als Tote!“
Er hob seine Hand und wollte an seinen Hosenbund langen. Doch Ruth war schneller. Aus dem Stand sprang sie auf den Verkaufstresen, schlang ihren schwarzen Schal um den dicken Hals des völlig überraschten Abdullah und zog ihn fest zu. Abdullah krächzte in Panik und ruderte mit seinen fleischigen Armen durch die Luft. Die beiden Frauen waren blitzschnell aufgesprungen und hatten ihre schwarzen Burkas zu Boden fallen lassen. Darunter trugen sie moderne Drillichhosen und enge T-Shirts. Beide hielten moderne russische Maschinenpistolen in den Händen, mit denen sie sofort losfeuerten. Doch Ruth war klein und drahtig und der dicke Abdullah das perfekte Schutzschild. Mit der einen Hand drehte Ruth den Seidenschal fester und fester um den Hals von Abdullah, der von einer Maschinenpistolengarbe getroffen wurde und sich röchelnd aufbäumte. Mit der anderen Hand zog Ruth blitzschnell die Pistole aus seinem Hosenbund und feuerte auf die beiden Frauen, traf eine der beiden sofort zwischen den Augen, verfehlte die andere, die wild um sich schießend aus dem Laden laufen wollte. Doch Ruth erledigte sie mit einem gezielten Schuss in den Rücken, noch ehe sie die Türschwelle erreicht hatte.
Langsam ließ sie den schwarzen Seidenschal los und der fette Körper von Abdullah sackte auf dem Boden zusammen. Überall aus seiner Dschellaba sickerte das Blut, mehrere Garben aus den Maschinenpistolen hatten ihn fast zerfetzt. Doch noch war etwas Leben in ihm und er flüsterte mit erstickter Stimme:
„Dafür wirst auch du sterben. Der Schwarze Skorpion wird dich finden und du wirst in den sieben Höllen schmoren und entsetzliche Qualen erleiden.“
Dann sackte sein dicker Krötenkopf schwer zur Seite und er atmete nicht mehr.
Vor dem Laden war jetzt lautes Geschrei zu hören, die Schüsse hatten die Nachbarschaft aufgeschreckt und Ruth griff sich die schwarze Burka von einer der toten Frauen, steckte die Pistolen in den Bund ihrer Jeans und verbarg ihren schlanken Körper unter der schwarzen Burka. Durch den Hinterausgang des Souvenirladens gelangte sie in eine schmale Gasse der Medina und verschwand, ohne dass sie jemand bemerkt hatte.
Das Adrenalin schoss durch ihre Venen und am liebsten wäre sie gelaufen, so lange und so schnell, bis sie das Ende der Welt erreicht hätte. Doch stattdessen musste sie tief verschleiert durch die staubige Gasse huschen und sich unter den Blicken der Männer unsichtbar machen, damit niemand Notiz von ihr nahm. Vorn auf der Hauptstraße hörte sie bereits die Sirenen der marokkanischen Polizeiautos, doch da war Ruth schon weit weg. Je tiefer sie sich in dem Gewirr der Straßen und Gassen verlor, desto weiter entfernte sie sich von ihrer Biografie als deutsche Studentin Ruth Mayer. Wie eine Schlange, die sich häutet, so streifte auch sie jetzt dieses Leben ab, das sie viel zu lange geführt hatte. Getarnt unter ihrer Burka, griff sie nach den beiden
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