Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
Hauptscharführer Sturm kurz zu. Sturm marschierte ans andere Ende der Reihe und fing an, Männer auszusortieren. Der Schumacher erkannte sofort, daß diese Auswahl anders war als alle, die er bisher miterlebt hatte. Die Kriterien für die Auswahl waren normalerweise stets die gleichen. Manchmal wurden beispielsweise gewisse erwachsene Männer ausgewählt, die ein bestimmtes Gewicht hatten. Bei anderen Gelegenheiten wurden Frauen genommen, die ihre Menstruation hatten. Noch nie hatte Schuhmacher erlebt, daß man mehr als zehn Erwachsene gleichzeitig ausgesucht hatte. Und das hatte einen einfachen Grund: Brandts Versuchskammer nahm nicht mehr auf.
    Außerdem verlief die Auswahl gewöhnlich so, daß Brandt hinter seinem Hauptscharführer herging und die Auswahl billigte oder nicht - letzteres war allerdings eher selten. Der Herr über Leben und Tod in Totenhausen kostete für gewöhnlich seine göttliche Macht genüßlich aus; aber heute riß Sturm die Männer aus den Reihen, ohne ihnen mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen. Es standen bereits 13 Männer flankiert von Wachen ein wenig abseits von den anderen Gefangenen. Eine eiskalte Vorahnung überkam den Schuhmacher, als er bemerkte, daß alle 13 Juden waren. War jetzt die Reihe auch an ihn gekommen?
    Seine Hände zitterten. Keiner der Juden wirkte älter als 50, aber wer konnte es schon wissen? Er sah, wie sich Rachel Jansen nach vorne beugte, weil sie sehen wollte, was da vor sich ging. Ein SS-Mann trat vor und schob sie zurück. Fünf Soldaten kamen näher, als Hauptscharführer Sturm in die Reihen ging, um einen widerstrebenden Gefangenen am Kragen herauszuziehen. Ein hysterischer Schrei ertönte, und die Hundeführer mußten ihre Schäferhunde mit aller Kraft zurückhalten.
    Der Schuhmacher begann zu beten. Etwas anderes würde ohnehin nichts nützen. Vor Jahren hatte er einen schweren Fehler begangen, als er sich geweigert hatte, mit Frau und Sohn aus Deutschland zu fliehen. Wenigstens waren sie jetzt in Sicherheit, dachte er, nein, hoffte er, im Gelobten Land, in Palästina. Jedenfalls hatte er mehr Glück als die Jansens rechts neben ihm. Heute abend würde der alte Großvater seinen Sohn verlieren, die junge Frau ihren Ehemann, und die Kinder ihren Vater. Er sah die Panik im Blick der Frau, als sie überlegte, wie sie ihren Ehemann schützen konnte. Es war unmöglich. Sie waren in Nazi-Deutschland, und Hauptscharführer Sturm kam näher.
    »Du!« bellte Sturm und deutete mit dem Finger auf einen Mann. »Vortreten!«
    Der Schuhmacher sah, wie ein 44jähriger Angestellter aus Warschau aus der Reihe schlurfte und sich zu den Todgeweihten gesellte, die sich mitten auf dem eisigen Lagerfeld zusammenscharten. Er hieß Rosen, doch kein Grabstein würde je seine Überreste ...
    »Du!« bellte Sturm. »Raustreten!«
    Aus dem Augenwinkel heraus sah der Schuhmacher, wie der junge holländische Vater sich umdrehte und seiner jungen Frau in die Augen blickte. Sein Blick verriet keine Angst, sondern nur Schuldgefühle, weil er seine Familie ohne Schutz zurückließ, so mager dieser Schutz auch gewesen sein mochte. Die beiden Kinder, ein kleiner Junge und ein winziges Mädchen, klammerten sich an den grauen Kleidersaum ihrer Mutter und starrten stumm vor Entsetzen hoch.
    »Vortreten!« bellte Hauptscharführer Sturm und packte den Holländer.
    Der junge Mann hob die Hand und strich seiner Frau zärtlich über die Wange. »Ik heb er geen Woorden meer voor, Rachel«, sagte er. »Kümmere dich um Jan und Hannah.«
    Der Schuhmacher war Deutscher, doch er verstand genug Holländisch, um auch die letzten Worte des Mannes zu verstehen. »Es gibt nichts mehr zu sagen, Rächet.«
    Als Sturms Hand sich um den Kragen des jungen Holländers schloß, sprang ein weißhaariger Mann aus den Reihen der Gefangenen und warf sich Sturm zu Füßen. Der Schuhmacher blickte rasch die Reihe entlang. 40 Meter weiter entfernt war Sturmbannführer Schörner ins Gespräch mit Dr. Brandt vertieft. Keiner von beiden hatte den Vorfall bemerkt.
    »Verschonen Sie meinen Sohn!« flehte der alte Mann mit leiser Stimme. »Benjamin Jansen bittet Sie auf den Knien um Gnade!«
    Hauptscharführer Sturm winkte einem Soldaten, der mit einem Hund herbeigelaufen kam und sich einige Meter hinter Sturm aufbaute. Sturm zog seine Pistole, eine gut geölte Luger. »Zurücktreten in die Reihe, oder ich nehme dich statt seiner.«
    »Ja!« sagte der alte Mann. »Genau das will ich ja!« Er stand auf und hüpfte wie

Weitere Kostenlose Bücher