Schwarzer Valentinstag
nie hier.«
Stunden vergingen. Der trübe Tag ging in Dämmerlicht über. Die Menge hielt aus, obwohl ein feiner Nieselregen eingesetzt hatte.
»Als hätte niemand etwas zu tun als zu gaffen«, sagte Christoph und stampfte mit dem Fuß auf. Von unten herauf kroch die Kälte. Gut, dass er noch die Schuhe hatte, welche Hannah ihm gegeben hatte. »Aber erzähl endlich.«
»Viel ist nicht zu erzählen«, sagte Philo leise. »Ich war Gefangener unseres Herrn Dopfschütz, er hat mich bei Wasser und Brot eine ganze Woche lang eingesperrt in einem winzigen Dachkämmerlein.«
Christoph schaute ihn entsetzt an.
»Nicht so schlimm. Ich hätte nur ein paar Dachziegel anheben müssen, dann wäre es eine Kleinigkeit gewesen, über das Dach zu verschwinden, aber dann hätte das Verhör nicht stattgefunden. Und niemand verrät sich mehr als einer, der einen anderen verhört, sagt Balthas immer. Es kam aber nichts dabei heraus.«
»Warum warst du denn gefangen?«
Philo berichtete.
»Ich hatte nur Angst davor, dass er mich foltern lässt.«
»Und alles wegen mir. Du hast unglaubliches Glück gehabt.«
»I wo, ich war sehr gut!«
»Das war Herr Dopfschütz, der meinen Vater umgebracht hat, Herr Dopfschütz, der die Juden verraten hat!«
»Aber Herr Dopfschütz hat jetzt Angst wie alle«, sagte Philo.
»Vor der Pest?«
»Er ist ein Mörder, denk an die Juden. Im Sommer kommt der schwarze Tod – er hört die Hölle schon pfeifen!«
Der Nieselregen war zu einem richtigen Landregen geworden, als sie am nächsten Morgen wieder vor der großen Freitreppe standen, die zum Gerichtssaal hinaufführte.
Nur wenige Leute standen auf dem Markt. »Hinausgepeitscht werden sie, das ist das Mindeste.« Die Frau, eine Marktfrau mit einem Sack über dem Kopf, sagte es, als hätte sie einen persönlichen Anspruch darauf, dass Balthas und Regine aus der Stadt gepeitscht wurden.
Eine Strafe, die mit ewigem Stadtverweis verbunden war. »Ich kenne mich da aus«, sagte Christoph.
Philo war unruhig: »Wenn man sie nur nicht foltert. Folterung und dann Stadtverweis – das ist tödlich: Kein Gefolterter kann in unserem Beruf weiterarbeiten!«
Das Portal öffnete sich. Zuerst traten Wachen heraus.
»Das sieht nicht gut aus«, flüsterte Christoph.
Dann kam Balthas. Er sah aus wie immer, breit auf der Brust lagerte sich sein Prophetenbart; ja er schien etwas zu lächeln. Nach ihm kam Regine die Treppe herab. Unten wurden beide von den Wachen in die Mitte genommen. Schon standen Philo und Christoph bei ihnen.
»Wegen euch sind wir so früh in die Stadt gekommen«, redete Balthas mit seiner lauten Bassstimme. »Jetzt haben sie uns wegen Zauberei und Betrug auf ein Jahr der Stadt verwiesen. Danke schön, wir wollten sowieso gehen und erst in einem Jahr wiederkommen.«
»Aber wir sind hergekommen, um euch mitzunehmen«, fuhr Regine fort, »wir warten alle gemeinsam im Schwarzwald die Pest ab. Dort ist es am sichersten.«
Sie waren nicht mitgegangen.
»Ich bleibe bei dir, ich bin ja nicht der Hellste. Weiß der Teufel, warum ich bleibe und dir helfe, aber versprochen ist versprochen, du kannst dich darauf verlassen, trotz Pest und Dopfschütz.«
Vor wenigen Tagen war der Ofen zusammengebrochen. Er hatte im Winter gequalmt und gestunken, aber doch etwas Wärme abgegeben. Der April war kalt und sie froren. Aber es war besser als unter einer der Brücken, unter denen die Bettler an ihren Feuern hausten, und viel besser als in Philos nasser Höhle an der Ill.
»Warum haben sie Balthas und Regine nicht hinausgepeitscht oder auf ewig aus der Stadt gewiesen wie meinen Vater und mich?«
»Sie haben sich selbst angelogen und jetzt merken sie es. Sie haben die Juden verbrannt, damit die Pest nicht kommt, sie haben dennoch Angst vor der Pest, jetzt haben sie aber dazu noch ein schlechtes Gewissen. Deshalb haben sie zwar Balthas und Regine verjagt, aber sie haben sich nicht getraut wirklich hart durchzugreifen.« Philo versuchte einen Laden mit einem Holzkeil zu befestigen.
Draußen prasselte ein Graupelschauer gegen die brüchigen Wände. Vom Dach tropfte es herab, obwohl sie versucht hatten die Löcher zwischen den Ziegeln zu verstopfen. Philo hatte sogar einige Dachziegel angeschleppt, aber nur auf dem kleinsten Teil des Daches waren Ziegel. Der größere Teil war mit vielen Lagen von zerfetztem und fauligem Stroh gedeckt und hier war jede Mühe vergebens. Sie hatten an manchen Stellen Bretter dazwischengeschoben, der Regen rann durch die
Weitere Kostenlose Bücher