Schwarzer Valentinstag
kopfunter an den Balken und Stangen hängt, wie er plötzlich an einem Seilzug herunterschnurrt, wie er über die dünnsten Gestänge läuft, als wäre es der Marktplatz, und dabei noch mit Bällen jongliert, wie er auf den Händen in schwindelnder Höhe über meinem Kopf über einen Querbalken rennt, wie er darauf – so wahr ich lebe, haushoch über dem Steinpflaster ein Rad schlägt! Wie er unvermittelt eine Flöte aus dem Gürtel zieht und auf einer Stange, dünner als mein Arm, nach seinem eigenen Spiel anfängt zu tanzen – vor – zurück – Drehung – und dabei herunterruft, das sei noch gar nichts, auf einem Seil sei das viel schwerer! Wie er auf einmal aus schwindelnder Höhe abstürzt, sich dabei an einem Strick, den ich gar nicht bemerkt hatte, wieder fängt, wie er – ach, man könnte stundenlang davon reden und man hätte stundenlang zusehen können.«
»Aber Herr Dopfschütz, Ihr seid ja – «
»Richtig, Herr Eisenhut, richtig. Der Kerl gehört an den Hof des Kaisers! Und das habe ich ihm auch gesagt. Aber ich glaube, er war schließlich froh, dass ich ihn laufen ließ.«
»Ihr habt ihn…?«
»Zum Abschied hat er mir höflich meine eigene Geldkatze überreicht, die wohl verwahrt an meinem Gürtel hängt. Wie er daran gekommen ist, weiß ich freilich nicht. Man müsste schon – wisst Ihr. Aber, Herr Eisenhut – die bevorstehende Pest –, es ist vielleicht besser, wenn man erst einmal nachsichtiger ist.«
Herr Eisenhut schüttelte den Kopf und lenkte das Gespräch wieder auf Herrn Kropfgans: »Ihr habt Recht, ohne sein Geld werden wir kaum durchhalten. Wir müssen mindestens fünfhundert Männer bezahlen und nicht nur bezahlen, sondern auch ausrüsten, und das ist erst der Anfang!«
»Im Herbst sehen wir weiter, wir haben das Geld des Juden, zinslos und ohne Tilgung, vergesst das nicht. Ein Jahr Aufschub tut der Sache keinen Abbruch, Herr Eisenhut, wir sind schon sehr weit. Im Herbst wird der Kropfgans wieder vernünftig.«
»Und die Pest?«
Gegen Abend war ein Auflauf auf dem Münsterplatz. Christoph hörte grelle Stimmen, Johlen und Schreien: »Betrüger, Zauberer! Verbrennt sie, hängt sie auf!« Zwei Stadtwachen drängten sich durch die Menge. Christoph, von einer plötzlichen Unruhe ergriffe? drängte nach: Eingekeilt zwischen schimpfenden und höhnenden Menschen, sah er zu seinem Entsetzen Balthas und Regine. Eine ganze Traube von Straßenjungen hatte sich an sie gehängt. Drei Schmiede hielten beide an den Armen und Händen fest.
»Es sind Betrüger!«, schrie eine Frau mit einem Pelz um die Schultern und hielt sich ein Tuch vor Mund und Nase.
»Zauberer sind es. Ich habe gesehen, wie der Dicke einem Kind Geld aus den Ohren gezogen hat. Steine sollte man nehmen!«
»Verbrennen sollte man sie – Zauberer gehören verbrannt!«
Balthas wirkte ruhig, Regine hatte runde Augen, ihr Mund war offen. Christoph sah, wie sich ihr Mund bewegte, aber ihre Stimme ging im Geschrei unter.
»Beide mitkommen!«, sagte der eine der beiden Stadtknechte und griff nach ihren Schultern. Der andere senkte seinen Spieß und zielte vor allem auf die Brust von Balthas.
Der drückte den Spieß ruhig auf die Seite: »Du brauchst den Spieß nicht, wir gehen auch so mit, lasst vor allem die Frau los!«
Seine tiefe Bassstimme klang wie immer.
»Wir haben nichts anderes getan, als wir es schon seit Jahren machen, jeder konnte es sehen in Straßburg. Es ist keine Zauberei und kein Betrug: Die Dinge, die wir finden, tragen wir bei uns. Niemand verliert etwas und wir nehmen niemand etwas weg.«
Man hörte lachen. Ein Straßenjunge pfiff auf den Fingern und streckte die Zunge heraus.
Christoph ging in der Menge mit, welche die beiden zum Rathaus begleitete. Dort aber stand eine Doppelwache am Portal und kreuzte die Spieße.
Der Rattenschwanz von Menschen war immer länger geworden, als sich der Zug das kurze Stück vom Münsterplatz zur Pfalz, dem Rathaus der freien Reichsstadt Straßburg, bewegt hatte. Christoph stand eingezwängt und wartete.
»He«, flüsterte es da neben ihm, »he, du kannst ruhig zu mir herblicken, was ist hier eigentlich los?«
Es war Philo, der nach seinem Arm griff.
»Wo warst du denn?«, fragte Christoph atemlos und froh.
»Das dauert länger, erzähl erst du.«
Er schüttelte den Kopf, als er erfuhr, weswegen sich die Menge vor dem Rathaus staute: »Das ist doch Unsinn. Die machen das seit Jahren hier in Straßburg. Wenn ich bloß wüsste – so früh im Jahr waren wir noch
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