Schwarzer Valentinstag
überrascht und eher ungläubig aus.
Philo war enttäuscht: Der Stelzenklaus war es nicht!
Der erhob sich jetzt, er stützte sich mühsam auf zwei Krücken. Er hatte keinen Zahn im Mund und sein Bart war fleckig und gelblich. Er sprach mit dröhnender Bassstimme, die man trotz des Straßenlärms und des Lärms der Bettler bestimmt einige Gassen weiter hörte: »Das waren die Juden!«
Philo stockte der Atem. Es wurde still.
»Ich weiß es!«
»Hör mal, warst du dabei?«
Der riesenhafte Bettler war jetzt ganz aufgerichtet vor dem Münsterportal. Sicher war es nur Philo, der bemerkte, dass der Gelähmte ganz frei, ohne Krücken stand. Er hatte die Arme erhoben, die Krücken lehnten an seinem gewaltigen Bauch und schienen ihn wie einen Baum zu stützen.
»Es waren die Juden! Sie haben unseren Herrn Jesus ans Kreuz geschlagen. Sie arbeiten nicht wie wir, sie treiben Wucher. Wer hat schon einen Juden als Bauern gesehen oder als Handwerker? Niemand. Sie können es nicht. Es ist ihnen nicht gegeben. Gott hat sie damit bestraft.«
Er spuckte aus.
»Sie haben den Jungen umgebracht, sie haben das Geld kassiert. Und sie haben noch einen weiteren Mord begangen, damit es nicht herauskommt. Und das Blut der ermordeten Christen haben sie gesoffen, wie sie es immer machen.«
Das war dumm, fand Philo, dumm und gefährlich, wie jede Dummheit gefährlich ist! Man hätte lachen können, so dumm war es. Du ärgerst dich über das entgangene Geld, Stelzenklaus, und die Juden sollen es büßen! Man sollte dir deine Stelzen in das fette Gesicht schlagen.
Die Sonne hatte den Nebel längst aufgelöst, die Gassen, die zur Ill hinunterführten, lagen im Sonnenlicht. Aber sie stach immer unerträglicher. Es wird wohl ein Gewitter geben, dachte Philo. Er musste endlich mit dem Mann reden, der den Toten an dem Fischerpfahl gefunden hatte.
Aber als er am Fischerstaden nach dem Haus des Fischeranton fragte, bekam er keine richtigen Antworten. Was ihn der Fischeranton angehe? Was er von ihm wolle? Der sei nicht zu sprechen, für niemand.
Die Häuser hier unten am Auslauf der Ill aus der Stadt waren niedrig, aus Holz und Lehm und mit Stroh gedeckt. Eines sah aus wie das andere. Die Sonne war grell, Stechmücken flogen Angriffe auf Philos Augen. Das Ufer war bedeckt von Fischabfällen, in denen immer wieder eine Ratte huschte, und es stank hier fast schlimmer als im Viertel der Gerber. In einem Busch vollführten Spatzen einen Höllenlärm. Es war unangenehm, hier zu stehen und nicht zu wissen, wie es weitergehen sollte.
Die weißen Schleier am Himmel hatten sich wie ein Geschwür zusammengezogen, langsam stieg eine dunkle Wand gegen die Sonne auf.
Weshalb wurde der Tote beschrieben wie Christoph? Und von wem?
»He du, was hast du hier zu suchen?« Eine Frau hatte die Arme in die Seite gestemmt.
»Ich suche das Haus des Fischeranton. Ich muss ihm etwas bestellen. Es ist sehr eilig und sehr wichtig. Wo wohnt er denn?«
Er zermarterte sich das Gehirn, was er Wichtiges mitteilen könne, als er von der Frau zu dem Haus geführt wurde.
»Was ist denn? Ist es wieder von der Stadt? Oder ist es von den Halunken, die ihn verprügelt haben?« Ihre Stimme war drohend geworden.
Philo hielt mit einem Ruck an: »Verprügelt haben?«
»Weißt du das nicht – jeder weiß es!«
»Wer hat ihn denn verprügelt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wann war es? –Wo war es?«
»Er ist gestern von den Stadtsoldaten mitgenommen worden. So. Und als er wieder nach Hause ging, da oben bei den halb fertigen Schiffen, da ist ein dichtes Gestrüpp, da haben sie ihn verprügelt. Sein rechtes Auge sieht schlimm aus. Hoffentlich bleibt da nichts. Oder war es das linke? Hier sind wir. Ich glaube, es war doch das rechte.«
»Es ist besser, ich sage es ihm allein«, sagte Philo schnell und schob einfach den Holzriegel auf. Was sage ich ihm eigentlich?
Hinter der Türe, die mit einem unangenehmen Knarren aufging, hing etwas wie ein Sack. Philo musste die Augen erst an das trübe Licht gewöhnen.
Ein Fischernetz hing da, aber der Stuhl vor dem Tisch war leer und das Strohbett war leer. Das Stübchen war winzig. Ein kleiner Herd qualmte. Fischerstiefel und viele Geräte, die er nicht kannte, standen daneben.
Draußen war die Sonne verschwunden.
Einige Kinder sprangen um die Ecke und starrten ihn an, als er aus der Türe trat. Sie waren noch klein, vielleicht drei, manche fünf.
»Was machst du da? Du wohnst hier gar nicht, hier wohnt doch der
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