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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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gesagt – im Fluss, an einem Pfahl.«
    »Stimmt. Du bist wirklich sehr schlau.«
    Dort drüben, zehn, fünfzehn Schritte weiter könnte es sein, und da: Diese dunklen Flecken – jawohl, das war Blut! Philo steckte einen Finger in den Mund und rieb mit dem nassen Finger über den dunklen Fleck, der sich über die Brüstung ausbreitete: Der Finger färbte sich rot.
    Er hielt ihn dem Bettler vor die Nase: »Blut! Hier war es. Hier wollen wir beten.«
    Der andere hatte die Augen weit aufgerissen: »Woher weißt du das alles? Oder warst du – «
    »Wir haben doch gemeinsam nachgedacht. Wir haben doch die Stelle gemeinsam gefunden. Du warst doch dabei.«
    Der Brüstungsbalken war voller Staub, bei den Blutflecken war kein Staub.
    Der andere hatte sich niedergekniet. Jetzt sah Philo die Flecken auch auf den Bohlen, auf denen sie standen. Hier war der Staub weggescharrt. Es gab keinen Zweifel.
    »Vater unser«, begann der andere.
    »Das gilt nicht«, fiel ihm Philo ins Wort, »ich hatte den Einfall und ohne mich hätten wir die Stelle nicht gefunden, obwohl du eine große Hilfe warst. Aber ich darf zuerst beten, das ist noch verdienstvoller. Und du sagst langsam, während ich bete, wie der Tote ausgesehen hat.«
    Philo kniete und sagte laut das Vaterunser.
    »Er war ziemlich groß für sein Alter, etwa vierzehn Jahre alt, mager wie ein Bettler, hatte aber gute Schuhe an, und er hatte buschige schwarze Haare und blaue Augen.«
    Das Dach der Gedeckten Brücken senkte sich herab.
    »Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm.«
    Philo brachte die vertrauten Worte kaum heraus. Er hatte die Hände zusammengepresst und betete im Stillen ganz anders. Aber sein Gebet hätte der Bettler nicht verstanden.
     
     
    Der Bettler verdiente während der ganzen nächsten Woche viel Geld, indem er Menschen zu den Blutflecken führte und mit beiden Händen erzählte, wie er sie gefunden hatte. Schon nach einem Tag kam Philo in der Erzählung nicht mehr vor.
     
     
    Es war ja leicht festzustellen, ob Christoph noch lebte. Aber das Viertel der Juden war weit weg, genau am anderen Ende der Stadt, hinter dem Münster. Er hätte hinrennen können, aber in der Zwischenzeit gingen hier vielleicht wichtige Spuren verloren. Und – es konnte nicht Christoph sein! Je mehr er nach dem ersten Schreck nachdachte, desto sicherer wurde er. Aber was bedeutete das alles? Und wenn er es doch war?
    Stadtsoldaten kamen wie vor einigen Wochen in einer Kette die Ill herauf. Sie stocherten mit ihren Spießen in der Böschung zwischen Mädesüß und Blutweiderich und scheuchten die Ratten in wimmelnden Schwärmen auf.
    »Wo ist der Tote? Kann man ihn sehen?« Philo sah jetzt nicht mehr wie ein Bettler aus. Er war in seinem Gewölbe gewesen und sah aus wie der Sohn eines kleinen Handwerkers, eines der vielen Flickschuster, die illabwärts wohnten.
    »Weshalb?« Der dicke Stadtsoldat stieß mit seinem Spieß einen Stein in den Fluss.
    Philo schluchzte herzzerbrechend, dicke Tränen liefen ihm über die Backen: »Es ist vielleicht mein großer Bruder. Er war betrunken und er ist seit gestern nicht mehr nach Hause gekommen. Wir suchen ihn alle.« Er merkte, dass er nun wirklich weinte.
    »Wir haben ihn nicht gesehen, sie haben ihn weggebracht.« Dem Soldaten war Philo sichtlich lästig. »Wir müssen hier nach Spuren suchen.« Er schaute kaum auf. »Aber wir haben eine Beschreibung von ihm: Er ist groß, dünn und hat schwarze buschige Haare und blaue Augen. Das sieht man nicht oft. Na, ist er es?«, fragte er gleichgültig –
    »Weißt du genau, dass der Tote so aussieht?«
    Der Soldat fuhr hoch: »Na, du musst doch wissen, wie dein Bruder aussieht. Ist er es oder ist er es nicht?«
    So kam er nicht weiter.
    Er musste den Fischer suchen, der den Toten gefunden hatte. Am besten stellte man sich dumm. Die Fragerei, das merkte er, konnte gefährlich werden.
    Er musste wieder auf die andere Seite der Ill und weit hinunter an das Ende der Stadt in den Fischerstaden. Unterwegs überlegte er fieberhaft: Wenn es sich bei dem Toten um Christoph handelte – besser nicht daran denken. Wenn er es aber nicht war, weshalb gaben dann alle dem Ermordeten Christophs Beschreibung? – Wer hatte denn ein Interesse zu verbreiten, dass Christoph tot war? – Seine Verfolger doch am allerwenigsten! Sie wollten ja, dass man ihn fand, deshalb hatten sie ja das Blutgeld ausgesetzt! Vielleicht war er es doch –
    Er rannte über die kleinen Stege zwischen den Mühlen

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