Schwarzer Valentinstag
musste nun wirklich lachen. »Kannst du mir genau sagen, wie es war, als du den Toten gefunden hast?«
»Also, ich bin am Morgen zur Reuse gegangen. Da habe ich an dem Pfahl etwas hängen sehen. Ich habe genauer hingeschaut, und da war es ein Mensch. Geh weg!, habe ich zu ihm gesagt, aber er war tot. Das hat Bruno gesagt – Bruno ist mein Sohn –, habe ich das schon gesagt? Wir haben ihn herausgezogen und umgedreht – «
»Und wer hat dich verprügelt?«
»Nicht alle haben geprügelt. Einer hat nur zugeschaut, der hatte mir am Morgen Geld gegeben, das Schwein.«
Philo wurde es heiß. »Geld gegeben! Geld für den Töten?«
»Nein, für die richtige Beschreibung. Er hat mir und Bruno jedem drei Silberstücke gegeben, dann hat er uns genau gesagt, wie er ausgesehen hat, weil man sonst den Mörder nicht findet.«
»Da hat er zwar Recht, aber ihr habt den Toten doch selbst gesehen.«
»Nicht so deutlich, er war ja nass und voller Flecken. Aber er war von hinten erstochen, das hat mir Bruno gezeigt. Bruno ist – «
»Und dann war die Leiche weg?«
»Sie war zuerst zugedeckt, dann haben die Soldaten sie mitgenommen.«
»Er sah aber anders aus, als ihr ihn beschreiben solltet.«
»Bruno hat gesagt, dass es ein alter Bettler gewesen ist, aber er hat gleich gesagt, dass wir uns an die andere Beschreibung halten müssen. Aber ich habe dem Fischerklaus später gesagt, dass es ein alter Bettler war, den wir aus der Ill gezogen haben.«
»Und hat das jemand hören können?«
»Es standen Leute dabei.«
»Und dann hat der vom Morgen dich verprügeln lassen?«
»Er war auf einmal da, der Lump, mit anderen. Bei den Schiffern. Für mein gutes Gedächtnis, hat er gesagt, der Lump.«
»Was genau hat er denn gesagt?«
»Er hat gesagt, ich muss das sagen, was er mir jetzt noch einmal sagt. Der Mann, den ich an dem Pfahl gefunden habe, war kein Mann, es war ein Junge und hatte schwarze buschige Haare und blaue Augen. Aber das stimmt nicht, wenn er mir und Bruno auch Geld gegeben hat. Es war ein alter Mann, angezogen wie ein Bettler, mit einer Narbe im Gesicht, Bruno hat das auch gesagt, aber er hat gesagt, wir müssen – «
»Wann haben sie dich verprügelt? Bevor du auf das Rathaus gegangen bist oder nachher?«
»Vorher. Ich wollte gerade zur Schindbrücke gehen – «
»Haben dich nicht die Soldaten mitgenommen?«
»Nein, sie wollten mich mitnehmen. Aber ich musste mich ja erst waschen und das gute Zeug anziehen. Und so sind die Soldaten vorausgegangen, sie wollten noch ein Schlückchen trinken. Und da ist es dann passiert am Schiffleutstaden.«
Jetzt kam die wichtigste Frage, Philos Stimme zitterte ein wenig: »Wie sah denn der aus, der dich nicht verprügelt hat?«
Vor der Türe waren Schritte zu hören. Nur jetzt nicht! Jetzt darf keiner hereinkommen, betete Philo, die Schritte gingen vorüber.
»Der war dick, gut angezogen, aber es war kein Herr, das konnte man sehen.«
Philo klopfte das Herz im Hals: »Ist dir sonst etwas an ihm aufgefallen? Wie groß war er?«
»Nicht groß. Aber dick, das Schwein. Er hatte so komische Knopfaugen. Bruno wird ihn verhauen, dass es kracht.«
Der Frosch!
Aber jetzt ergab die falsche Beschreibung erst recht keinen Sinn: Gerade der Frosch musste doch das allergrößte Interesse haben, dass Christoph gefunden wurde. Nun galt er bereits als tot.
Der Himmel hatte eine bedrohliche Farbe angenommen, das Grummeln und Rumoren in den Wolken kam näher. Eine gewaltige schwarze Wand sah Philo vom Schiffleutstaden aus, sie hatte ganz oben, fast genau über seinem Kopf, einen grellen, blendend weißen Rand. Böen stoben ihm den Staub in die Augen. Erste dicke Tropfen fielen, als er über die Neue Brücke ging. Die Gassen hinauf zum Münster waren plötzlich wie leer gefegt. Es war beinahe Nacht geworden. Er hockte sich auf einen Pflock unter dem hölzernen Vordach eines Krämerladens, als das Gewitter mit fürchterlicher Wucht losbrach, Gießbäche trommelten auf das Vordach herunter. Die Blitze zuckten grell, der Donner schmetterte irgendwo über den Dächern und rollte in allen Richtungen über die Stadt. Es roch nach Staub und Regen. Windböen jagten Regenschwaden die Gassen hinunter. Vom Münster herab hörte man die Wetterglocke läuten.
Philo zuckte zusammen, als neben ihm jemand anfing zu reden. Er hatte nicht bemerkt, dass in einer seitlichen Nische noch jemand unter dem Vordach war.
»Wenn es nur nicht einschlägt.«
»Du wirst schon nicht vom Blitz erschlagen
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