Schwarzes Blut
Haus abbrannte. Ich war gar nicht recht bei Bewußtsein und wußte nicht, ob ich es überleben würde oder nicht, und auch Ray wußte es während der folgenden drei Tage nicht. Denn obwohl meine Wunde sich rasch schloß, blieb ich bewußtlos. Währenddessen hatte ich einen außergewöhnlichen Traum. Ich flog in einem Raumschiff durchs All. Bei mir war Ray, und unser Ziel war die Sternengruppe der Pleiaden, das Siebengestirn, wie es die Astronomen oft nennen. Durch unsere Frontkuppel hindurch konnten wir beobachten, wie die blauweißen Sterne ständig an Größe zunahmen und mehr und mehr leuchteten, und obwohl wir uns auf einer langen Reise befanden, waren wir die ganze Zeit von Begeisterung erfüllt. Denn wir wußten, daß dies eine Heimreise war, dorthin, wo wir hingehörten, dorthin, wo wir keine Vampire waren, sondern Lichtengel, die sich allein vom Leuchten der Sterne nährten. Es tat weh, aus diesem Traum wieder zu erwachen, und nach wie vor bete ich jedesmal, wenn ich mich schlafen lege, daß er wiederkommt. Die Farbe der Sterne erinnert mich an die Augen Krishnas.
Ray kommt rasch über seine Trauer hinweg. Als sich im Osten langsam die Sonne erhebt, sitzen wir bereits wieder im Auto und fahren nach Hause. Still hockt mein Liebhaber neben mir, starrt ins Nichts, und mir selbst halten düstere Gedanken die Lippen verschlossen. Meine Energie ist verbraucht, aber ich darf mich jetzt nicht eher ausruhen, bis ich einen Plan ausgearbeitet habe, mit dem ich verhindere, daß sich tausend Kilometer südlich von uns die Beulenpest ausbreitet. Der mit den bösartigen Augen wird in der nächsten Nacht noch mehr Vampire erschaffen. Und die wiederum werden weitere erschaffen. Jeder Tag zählt, jede Stunde. Krishna, gib mir die Kraft, diesen Feind zu vernichten! Gib mir die Kraft, mich selbst dabei nicht zu vernichten.
Ray ruht sich aus, und ich lasse ihn ein wenig von meinen Venen trinken, genug, damit er den Tag übersteht. Selbst dieser kleine Schluck erschöpft mich noch mehr. Ich lege mich jedoch nicht neben ihn, als er einschläft. Laß ihn von seinem Vater träumen. Von Los Angeles erzählen kann ich ihm später noch immer.
Ich besuche meinen Freund Seymour Dorsten. Seit ich das Aidsvirus in seinem Blut mit ein paar Tropfen von meinem Blut vernichtet habe, sind wir uns noch zweimal begegnet. Seine Gesundheit macht große Fortschritte. Er hat jetzt eine Freundin, und ich sage ihm, daß ich eifersüchtig bin, aber das nimmt er mir nicht ab. Ich klettere bei ihm zum Fenster rein und wecke ihn auf, indem ich ihn vom Bett herunter und auf den Fußboden schubse. Mit einem dumpfen Laut schlägt er mit dem Kopf auf, grinst mich aber bloß an. Nur Seymour steht auf eine solche Behandlung.
»Ich habe gerade von dir geträumt«, sagt er. Die Bettdecke hat er noch halb über das Gesicht gezogen.
»Und? Hatte ich was an?« frage ich ihn.
»Natürlich nicht.« Er richtet sich auf und reibt sich den Hinterkopf. »Was die Augen einmal gesehen haben, kann der Verstand nicht mehr vergessen.«
»Wo willst du mich denn nackt gesehen haben?« will ich von ihm wissen, obwohl ich die Antwort schon kenne.
Er kichert. Ihm, Seymour dem Großen, meinem persönlichen Biographen, kann ich nichts erzählen. Ich weiß um das geistige Band zwischen uns beiden. Ob er den Abend damit verbracht hat, meine Geschichte aufzuschreiben? Er schüttelt den Kopf, als ich ihn danach frage. Er hat sich mit seiner neuen Flamme ein Video angeschaut und ist früh zu Bett.
Ich berichte ihm von Los Angeles und erkläre ihm, warum ich voller Blut bin.
»Wow!« murmelte er nur, als ich fertig bin.
Ich lehne mich zurück auf seinem Bett, entspanne meinen Rücken. Seymour hockt noch immer auf dem Fußboden. »Ein bißchen mehr mußt du mir dazu schon noch sagen«, meine ich.
Er nickt. »Du willst, daß wir rausfinden, wo sie herkommen.«
»Sie stammen von diesem Monster. Daran habe ich keinen Zweifel. Ich will wissen, wo er herkommt.« Ich schüttele den Kopf. »Ich habe den ganzen Weg hierher darüber nachgedacht, und mir fällt nichts dazu ein.«
»Irgend etwas fällt einem immer ein. Kennst du noch diesen berühmten Spruch von Sherlock Holmes? ›Wenn man das Unmögliche ausschließt, muß das, was übrigbleibt, die Wahrheit sein, ganz gleich, wie unwahrscheinlich sie aussieht‹ Seymour preßt die Hände aneinander und denkt nach. »Ein so starker Vampir kann nur von Yaksha erschaffen worden sein.«
»Yaksha ist tot. Außerdem hätte Yaksha niemals einen Vampir
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