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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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konnte sich vor Lachen kaum halten.
    «Sie als ‹Politische› mitten im Heiligtum. Dort wird abends alles versiegelt, einschließlich der Türen. Alles, was am Tag verfasst wurde, kommt am Abend in den Tresor. Und Sie haben einen Schlüssel. Es ist fast wie in der Sparkasse. Nur dass es hier um Millionen geht. Die entweder produziert wurden oder eben nicht.»

Das Jahr 1962:

    Auszeichnung als Aktivist des Siebenjahrplans. Unterlage: Ausgabe der Betriebszeitung mit dem landesweiten Aufruf im sozialistischen Wettbewerb aus Sömmerda.

Die Volkskammer beschließt die allgemeine Wehrpflicht. Schwerste Flutkatastrophe in Norddeutschland. Uraufführung «Die Physiker» von Friedrich Dürrenmatt in Zürich. DDR führt Reisevisa für Bundesbürger ein. Marilyn Monroe wird in ihrer Wohnung in Los Angelos tot aufgefunden. Erste Veröffentlichung zu den Schäden durch «Contergan». Ausbruch der «Kuba-Krise» zwischen den USA und der UdSSR. Die SED erklärt den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im Wesentlichen als abgeschlossen. Beginn der «Spiegel-Affäre». In der DDR wird die Intershop-Handelsorganisation gegründet. Die Dreharbeiten für den ersten James-Bond-Film starten.

1962
    «Da kommen sie.»
    «Wer?»
    «Die Troika aus Gotha.»
    «Werkleiter, Parteisekretär und Gewerkschaftsboss, die sozialistische Dreifaltigkeit.»
    «Um diese Zeit in der Kantine?»
    «Die Genossen können sich bestimmt was Besseres aufs Zimmer bringen lassen.»
    «Ich hab den Neuen schon öfter hier gesehen. Vielleicht schmeckt es unter Leuten besser.»
    «Von schmecken kann keine Rede sein. Der guckt finster.»
    «Kein Wunder, bei dem Sauhaufen, den er übernommen hat.»
    «Damit meinst du doch hoffentlich nicht uns?»
    «Natürlich nicht. Wir würden ja, wenn wir dürften.»
    «Wir dürfen aber nicht. Das wird auch der Neue nicht ändern.»
    «Und wenn er was ändert, dann sicher nicht zum Guten.»
    «Einige sagen, er will aus dem Werk eine Kaserne machen.»
    «Wieso?»
    «Man darf am Tag nicht mehr raus.»
    «Wie, nicht raus?»
    «Na ja, aus dem Werk nicht raus. Wenn du, sagen wir, zum Friseur willst. Geht nicht mehr. Kommst am Pförtner nicht vorbei. Der will einen Passierschein sehen. Und Passierscheine gibt es nur mit der persönlichen Unterschrift des Werkleiters. Zuerst haben alle gelacht. Wenn er für jeden, der während der Arbeitszeit rauswill, einen Schein ausfüllt, dann kann er den ganzen Tag nichts anderes machen. Denkste. Bis jetzt soll noch keiner einen Antrag gestellt haben. Also: Haare schneiden nur noch nach Feierabend.»
    «Und wenn es Apfelsinen gibt, auch nicht?»
    «Auch nicht.»
    «Da werden ihm die Frauen aber was husten. Nach Feierabend ist alles weg.»
    «Von dem, was es nicht gibt, kann auch nichts weg sein.»
    «Und was ist mit dem Zahnarzt?»
    «Probier’s doch. Vielleicht schaut er ja vorher dein Gebiss an.»
    «Ist ja wie in einer Kaserne.»
    «Noch schlimmer, es ist wie im Kapitalismus.»
    «Der war gut.»
    «Sie sagen, er muss öfter durchs Werk laufen. Steht plötzlich in der Tür. Du schaffst kaum, die Füße vom Tisch zu heben.»
    «Das ist noch gar nichts. Neulich kam er dazu, wie sie in der Spätschicht ein Fahrradrennen veranstaltet haben. Drei spurteten um ihr Leben durch die Halle, der Rest johlte und klatschte. Was sollten sie auch tun? Kein Material.»
    «Und wie ging die Geschichte aus?»
    «Na, wenn du jetzt einen ohne Kopf siehst, dann ist das der Produktionsdirektor. Den kriegt er erst wieder, wenn die Leute ausgelastet sind.»
    «Da müssten ja Tausende ohne Kopf rumlaufen.»
    «Na, ganz so schlimm ist es ja nicht mehr. Immerhin erfüllt das Werk jetzt den Plan. Hättet ihr geglaubt, dass wir das noch erleben?»
    «Klappe halten, er kommt rüber.»
    «Fünf Herren in weißen Kitteln? Das sieht sehr nach Forschung und Entwicklung aus.»
    Lorenz zog sich vom Nebentisch einen Stuhl heran:
    «Darf ich mich dazusetzen?»
    «Aber bitte.»
    «So sieht sie also aus, die ‹weiße Wolke›?»
    «Den Namen haben uns böse Menschen gegeben. Wer ein Diplom hat, über den wird gelästert.»
    «Das ließe sich ändern.»
    Die fünf schauten den Werkleiter verwundert an.
    «Na, es steht außer Zweifel: Wir hängen nicht nur in der Produktion am Tropf. Das Werk wacht gerade, wenn Sie so wollen, aus dem Koma auf. Ich gehe davon aus, dass wir den Patienten wieder auf die Beine bringen. Das Herzchen schlägt schon wieder von allein. Aber was ist dann?»
    «Ja, was ist dann?»
    «Dann brauchen wir neue

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