Paula Kussmaul laesst nicht locker
Alles fing mit Manolito an
Es war einer dieser Tage, wie Paula sie überhaupt nicht mochte. Die Sonne brannte vom Himmel herab, als wollte sie die ganze Stadt in einen Ofen verwandeln, jede Tüte Eis wurde im Nu zur Suppe. Die barfüßigen kleinen Zülke-Zwillinge, die sich im Zeitungsladen an der Ecke Bellmannstraße eine Cola geholt hatten, sprangen wie die Flöhe übers Pflaster, so heiß waren die Steinplatten. Die alte Frau Hirschfeld aus der Nr. 29 schleppte sich nur mühsam vorwärts, keuchte, schwitzte und schimpfte: »Eine Hitze ist das! Da wird man ja zum Pudding.«
Die alte Frau Hirschfeld mit ihrer höckrigen Nase und den drei langen Härchen am Kinn ein Pudding? Ein komischer Gedanke. Doch an diesem Tag konnte Paula rein gar nichts aufheitern.
Es war ja nicht nur die Hitze, die sie ärgerte. Es war vor allem dieses ewige Alleinsein. Nichts passierte auf der Straße, alles war wie tot. Schon seit mindestens einer Stunde saß sie auf den Steinstufen vor der Haustür, blickte mal links, mal rechts die Straße hinunter und musste aufpassen, dass ihr vor Langeweile nicht die Augen zufielen. Weit und breit keiner, mit dem sie irgendetwas hätte anfangen können. Alle waren sie abgedüst, ans Mittelmeer, ans Schwarze Meer, in die Berge oder an irgendeinen kühlen Plitsche-Platsche-See. Nur sie, die doofe Paula, hockte in diesem Stinkegrill. Und da sollte sie sich nicht ärgern?
Wieder blickte sie zu den beiden Verkehrsschildern hin, die schon vor zwei Tagen vor ihrem Haus aufgestellt worden waren. Parkverbot von sieben Uhr morgens bis abends um acht. Ihre einzige Hoffnung. Offensichtlich aber standen diese beiden Wichtigtuer nur so zum Spaß da. Kein LKW, der gekommen war, um irgendetwas auf- oder abzuladen. Dabei hätte doch irgendwann mal einer kommen müssen! Das Parkverbot galt ja nur für heute. Sie hatte gehofft, dass neue Mieter einziehen. Oder irgendjemand auszieht. Oder irgendwelche Handwerker kommen. Doch nichts! Vielleicht war es denen, die da kommen wollten, inzwischen schon zu heiß geworden und sie kamen lieber morgen. Wer zog denn an solch einem Schwitzetag um? Oder reparierte Dächer, Klos oder Wasserleitungen?
Erst als Paula schon aufstehen und weggehen wollte, genau in dieser Sekunde kam doch noch ein Umzugswagen um die Ecke gebogen. Groß und grün war er und Alfons Schulze stand darauf aufgemalt. In riesigen weißen Buchstaben. Alfons Schulze, Hamburg . Voller Vorfreude sprang Paula auf und lehnte sich in den Hauseingang. Also hatte sie doch nicht umsonst gewartet, gleich würde es sich entscheiden: War der Umzugswagen voll oder leer? Zogen neue Leute ein oder zog irgendjemand aus? Auf jeden Fall gab es was zum Beobachten.
Der Möbelwagen fuhr langsam. Er musste auf die parkenden Autos links und rechts Rücksicht nehmen. Dann aber hielt er. Direkt vor Paula. Drei Männer stiegen aus, kuckten noch mal zur Hausnummer hoch und nickten sich bestätigend zu: Sie waren richtig. Die Wagenklappe wurde geöffnet, und vorsichtig spazierte Paula um das riesige Gefährt herum, bis sie hineinschauen konnte.
Der Wagen war voll! Also zog jemand ein. Und das konnten nur die Leute sein, die die Wohnung im dritten Stock, Vorderhaus, gemietet hatten. Den Namen hatte Paula auf dem Hausbriefkasten schon gelesen. Fühmann hießen sie. Zuvor hatten Persickes dort gewohnt. Denen aber hatte es in der Stadt nicht mehr gefallen. Zu wenig Grün, hatten sie gesagt, und zu viel Verkehr. Am Stadtrand würden sie in einem Häuschen wohnen. Mit Garten. Mike Persicke hatte sich schon ausgemalt, wie er tonnenweise Erdbeeren und Kirschen futtern würde.
Jetzt kam auch noch ein roter PKW um die Ecke gebogen. Der fuhr so langsam, sicher wollte er auch zu ihrem Haus. Und tatsächlich, nur ein paar Meter hinter dem Möbelwagen hielt er und eine blonde Frau und ein schnurrbärtiger Mann stiegen aus. »Gefunden?«, rief der Schnurrbärtige den Möbelleuten zu.
»Nee«, antworteten die grinsend und zogen weiter an ihren Zigaretten, mit denen sie sich wohl erst einmal stärken mussten, bevor sie mit der Arbeit begannen.
Der Mann und die Frau lachten und blickten sich um, als hätten sie etwas verloren. Paula sah auch bald, wen sie suchten, denn die Frau öffnete die Tür zu den Rücksitzen ihres Autos und sprach mit jemandem, der noch drinsaß. Wenig später kam ein Junge herausgekrochen. Er kaute auf einem Kaugummi herum, machte ein mürrisches Gesicht und blieb dicht neben dem Auto stehen. So als wäre er am liebsten
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