Die Geliebte des Koenigs
1. KAPITEL
Beim Verlassen des Sekretariats klapperten die flachen Absätze von Jesslyn Heatons praktischen marineblauen Pumps auf dem Fliesenboden.
Endlich! Der letzte Schultag!
Glücklicherweise waren die Schüler – die dank Muffins und einer knallroten Früchtebowle satt und zufrieden waren – bereits nach Hause gegangen. Jetzt musste sie nur noch ein paar letzte Handgriffe verrichten und ihren Klassenraum endgültig zusperren, dann konnte auch Jesslyn in die Sommerferien starten.
„Wissen Sie schon, wie Sie Ihre Ferien verbringen, Miss Heaton?“, fragte ein schlaksiger Junge. Seine dünne, leicht näselnde Stimme zitterte ein wenig.
Überrascht schaute sie von den Unterlagen auf, die sie kurz zuvor aus ihrem Fach im Sekretariat geholt hatte. „Aaron, du bist noch da? Die Schule ist doch seit Stunden aus.“
Der sommersprossige Teenager errötete heftig. „Ich habe etwas vergessen“, murmelte er. Mit glühenden Wangen zog er ein kleines Päckchen aus seinem Rucksack hervor. Es war in weißes Papier eingeschlagen und mit einer roten Seidenschleife versehen. „Für Sie. Meine Mom hat es ausgesucht, aber es war meine Idee.“
„Ein Geschenk!“ Jesslyn lächelte und klemmte den Stapel Papiere unter den Arm, um das Päckchen entgegenzunehmen. „Das ist sehr lieb von dir, Aaron. Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Wir sehen uns doch gleich nach den Sommerferien …“
„Ich komme nicht zurück.“ Er hob die mageren Schultern und setzte umständlich den Rucksack wieder auf den Rücken. „Wir ziehen in den Ferien um. Dad ist zurück in die Staaten versetzt worden.“
Seit sechs Jahren unterrichtete Jesslyn die Mittelstufe einer kleinen Privatschule in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und nicht zum ersten Mal erlebte sie, wie abrupt einer ihrer Schüler aus seinem gewohnten Umfeld gerissen wurde. Diese Kinder kamen und gingen ohne große Vorankündigung. „Das tut mir aufrichtig leid, Aaron“, sagte sie freundlich.
Der Junge senkte den Kopf und schob die Hände in die Hosentaschen. „Können Sie den anderen Bescheid sagen? Und sie vielleicht bitten, mir mal eine E-Mail zu schicken?“
Erneut drohte seine Stimme zu brechen. Er klang so unglücklich. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern stand er vor Jesslyn. Ihr zog sich bei seinem Anblick das Herz zusammen. Diese Kinder mussten in frühen Jahren schon so viel durchmachen. Durch den Job der Eltern waren sie oft gezwungen umzuziehen. Fremde Länder, fremde Sprachen und Schulen – der ständige Wechsel war die einzige Konstante in ihrem Leben. „Das will ich gerne tun“, versprach sie sanft.
Aaron nickte noch einmal, wandte sich dann ab und eilte den verlassenen Schulkorridor entlang. Jesslyn sah ihm hinterher, bis er um eine Ecke verschwunden war. Mit einem tiefen Seufzen schloss sie die Klasse auf. Schwer zu glauben, dass schon wieder ein Schuljahr vorüber war. Dabei kam es ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie ihren Schülern einen Berg von Lehrbüchern ausgehändigt und ihre Namen in gestochen scharfer Schrift ins Klassenbuch eingetragen hatte. Jetzt waren alle weg, und vor ihr lagen zwei freie Monate.
Zumindest, wenn sie endlich abgeschlossen hatte. Aber das konnte sie erst, wenn sie die letzte, leidige Pflicht erledigt hatte – die Schultafeln mussten noch sauber gewischt werden.
Zwanzig Minuten später klebte ihr ehemals makelloses marineblaues Kostüm auf der Haut, und das dichte dunkle Haar war im Nacken schweißnass. Seufzend zog Jesslyn die zerknitterte Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne. Was für ein Job, dachte sie und kräuselte missmutig die Nase, während sie den Schwamm im Spülbecken auswusch.
Es klopfte kurz. Dr. Maddox, die Schulleiterin, betrat den Klassenraum. „Miss Heaton, Sie haben Besuch.“
Jesslyn dachte sofort an die Eltern eines Schülers, die vielleicht mit ihr über die Zeugnisnoten ihres Sprösslings sprechen wollten, aber dem war nicht so. Jesslyn erstarrte, als sie Sharif Fehz erblickte.
Prinz Sharif Fehz …
Ihr Herz schlug bis zum Hals. Wie in Trance krampfte sie die Hände um den nassen Schwamm und zuckte unmerklich zusammen, als das Wasser über ihre zitternden Finger rann.
Sharif.
Sharif … hier?
Unmöglich! Aber er war es, ohne Zweifel. Prinz Fehz stand in der offenen Tür – groß, stattlich, real – und schaute sie gelassen an. Jesslyn hatte das Gefühl, ihr Blut hätte sich plötzlich in glühende Lava verwandelt, die sie innerlich zu
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