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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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notwendigen Bestechungsgelder an die örtlichen Verantwortlichen hat mich grob geschätzt fünfzigtausend Dollar gekostet. Die Beamtenschaft dort unten lässt sich ja gerne dafür bezahlen, dass sie Hilfsgüter über die Grenze lässt. Speziell nach Angola haben Sie damals nichts liefern können, ohne großzügig zu schmieren. Und es waren Angolaner, wohlgemerkt, die aus dem Elend ihrer Mitmenschen Profit schlugen. Und es auch heute noch oft genug tun.«
    »Sie wollen sagen, Sie haben bei diesem Geschäft Verluste gemacht?«
    »Herr Gerlach!« Fast verzweifelt sah er mich an. »Was immer Sie von mir denken, und ich fange an, eine Ahnung davon zu bekommen, bitte glauben Sie mir wenigstens dieses: Ich mache keine Geschäfte mit dem Unglück anderer Menschen.«
    Eines der Schiffe war inzwischen aus meinem Blick verschwunden. Das Geklapper im Haus hatte aufgehört. Mit einem Mal herrschte vollkommene Stille. Nur Fahlenbergs heftiger Atem war zu hören und das Ticken der Standuhr in der Halle.
    Wie hatte Machatscheck gesagt? »Sie leben in den grünen Tälern der Gerechtigkeit, Herr Gerlach.«
    Wo war sie hier, die Gerechtigkeit? Was war hier gut, was schlecht? Durfte man Menschenleben gegen Statistiken aufwiegen? Und falls nein, warum nicht? War es dem, der überlebte, nicht zu Recht gleichgültig, ob dies auf einer ethisch vertretbaren Basis geschah?
    Ich räusperte mich. Es half nichts. Mit einem Mal war ich müde. In der letzten Nacht auf diesem dröhnenden Schiff hatte ich miserabel geschlafen, das ungewohnte Klima machte mir zu schaffen, dieses Gespräch.
    »Ich würde mich jetzt gerne zurückziehen, wenn Sie erlauben«, hörte ich Fahlenberg sagen. »Ich bin ein alter Mann, und ich werde Ihnen bestimmt nicht davonlaufen. Falls Sie noch Fragen haben sollten, morgen stehe ich gerne zur Verfügung. Sie bleiben doch über Nacht, hoffe ich?«
    Ich schüttelte den Kopf und nickte gleichzeitig. Ich war aufgewühlt, empört und deprimiert in einem. Klein und schäbig kam ich mir vor. Und dabei war ich doch hier der Gute.
    Doktor Fahlenberg hob leicht die Rechte zum Gruß und ging.

28
    Hinterher, wenn alles vorbei ist, kommen einem immer diese Gedanken.
    Was wäre gewesen, wenn …
    Was wäre gewesen, wenn ich an der ersten Ampel von Castelsardo links statt rechts abgebogen wäre? Wenn ich auf dem verwinkelten Kirchplatz einen Parkplatz gefunden hätte und nicht bis zum kleinen Hafen weitergefahren wäre? Wenn ich mich dort auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit nach Osten gewandt hätte und nicht nach Westen? Wenn ich das Handy einige Stunden früher eingeschaltet hätte?
    Eigentlich hatte ich noch am selben Abend nach Olbia zurückfahren wollen. Für morgen früh um neun war meine Überfahrt gebucht. Aber ich fühlte mich jetzt außerstande, eine längere Strecke zu fahren. Ich brauchte Ruhe, Zeit zum Nachdenken, um in meinem Kopf aufzuräumen. Auch morgen Abend ging eine Fähre nach Livorno. Sönnchen würde das schon regeln. Ich durfte nur nicht vergessen, sie später anzurufen. Sobald ich etwas gegessen hatte, wenn ich wieder klar denken konnte. Ein friedlicher Abend am Meer, das war es, wonach ich mich jetzt sehnte. In einem beschaulichen Ort, der auf den zweiten Blick leider nicht so beschaulich war, weil voller Touristen.
    Endlich, fast am Ende des Kais, gab es freie Parkplätze, die allem Anschein nach sogar legal waren. Ich stellte den Alfa Romeo ab, zerrte meine Tasche aus dem Kofferraum und drückte diesen wunderbaren Knopf am Schlüssel, der wie von Geisterhand alle Schlösser zuschnappen ließ, ohne dass man sich noch einmal am Auto vorbeizwängen und die Hose schmutzig machen musste. In Momenten wie diesem sehnte ich mich manchmal doch ein wenig nach einem modernen Auto als Ersatz für meinen alten Kombi.
    Im brackigen Wasser schaukelten bunt bemalte Fischerboote und Abfall, es stank nach verwesenden Algen, Öl und Teer. Überall saßen und standen alte Männer, Fischer, und unterhielten sich in einer Sprache, die für meine Ohren keine Ähnlichkeit mit Italienisch hatte. Struppige Katzen strichen umher auf der Suche nach einem frühen Abendessen. Irgendwo bimmelte ein Glöckchen aufgeregt. Sechs Uhr. Für manche Menschen vielleicht Zeit zu beten.
    Ich ging zurück in Richtung Zentrum und sah mich um. Nirgendwo ein Hinweis auf ein Hotel. Mir war schwindlig, als hätte ich zu wenig gegessen oder zu viel Kaffee getrunken. Aus einer kleinen Trattoria, die aussah, als wäre sie tausend Jahre alt,

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