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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Rückfahrt. »Keine zwanzig Meter vom nächsten Haus modert da wochenlang eine Leiche vor sich hin, und kein Schwein merkt irgendwas!«
    Ich saß auf dem Beifahrersitz unseres mausgrauen, erst zwei Jahre alten BMW. Runkel, ein älterer Kollege, hing erschöpft auf dem Rücksitz und gähnte markerschütternd. Balke kurvte die Serpentinen der Straße nach Ziegelhausen hinunter, und wir wurden im Wagen hin und her geschaukelt.
    »Also, Gerichtsmediziner, das wär ja kein Job für mich«, fuhr Balke mit seinen Überlegungen fort, als niemand reagierte. »Da muss man schon einen ziemlichen Schatten haben, um so was zu machen. Finden Sie nicht auch?«
    Ich war absolut seiner Meinung, schwieg aber weiterhin. Bald kamen die ersten Häuser von Ziegelhausen in Sicht, Kurven und Schaukelei hatten ein Ende, und der Schatten der Bäume leider auch. Minuten später bog Balke auf die in der Mittagshitze flimmernde Bundesstraße in Richtung Heidelberg ab. Er überholte ein holländisches Wohnwagengespann, das auf der Suche nach einem geeigneten Parkplatz den spärlichen Verkehr behinderte. Im nächsten Augenblick musste er eine Vollbremsung hinlegen, weil ein Mann mit der Miene eines Priesters, Pilgerstab in der Hand, klobigem Rucksack auf dem Rücken und Wanderstiefeln an den Füßen, die Straße überquerte, ohne nach links oder rechts zu sehen.
    »Da glaubt wirklich noch einer an Gott!«, knurrte Balke.
    »Das kommt von der Hitze«, meinte Runkel von hinten. »Die Hitze macht die Leute verrückt.«
    Balke drosch den ersten Gang ins Getriebe.
    »In Offenburg hat vorgestern so ein Hartzie seine Frau umgebracht«, fuhr Runkel fort und gähnte schon wieder, »bloß weil sie gesagt hat, er könnte doch vielleicht mal duschen gehen. Und zack, haut er ihr einfach die Schnapsflasche über den Schädel.«
    »Hartzies« nannten meine Leute seit Neuestem unsere traurigsten Kunden. Keine Arbeit, keine Zukunft, zu wenig Geld. Dafür jede Menge Alkohol, zu viel Streit, hin und wieder die Polizei im Haus und irgendwann leider oft auch die Kripo.
    »Anschließend hat der Depp noch die Kollegen angerufen«, empörte sich Runkel, »und das Einzige, was den interessiert hat, war, ob die Zellen im Knast klimatisiert sind.«
    »Und?«, fragte ich, von seinem Gähnen angesteckt. »Haben sie in Offenburg klimatisierte Zellen?«
    »Das wär ja noch schöner«, brummte Runkel. »Solang nicht mal wir Klimaanlagen für unsere Büros kriegen.«
    »Eigentlich sind das ja die nettesten Mordfälle«, meinte Balke mit schiefem Grinsen. »Der Mörder sitzt neben der Leiche, gibt alles zu, du tippst ein hübsches Protoköllchen, knipst ein paar Bilder, und fertig ist die Keksfabrik.«
    »Aber da wären wir ja alle arbeitslos«, gab Runkel zu bedenken, »wenn das immer so wär.«
    Womit er natürlich auch wieder recht hatte. Ich konnte inzwischen gar nicht mehr aufhören zu gähnen. Trotz auf höchster Stufe laufender Klimaanlage kam es mir vor, als würde es von Minute zu Minute heißer im Wagen.
    »Sogar Mahsuri meint, die Hitze wär langsam nicht mehr zum Aushalten«, maulte Runkel nach längerem Nachdenken. »Und die kommt aus Indonesien!«
    Er hatte, obwohl schon Ende vierzig, erst vor wenigen Jahren geheiratet. Darüber, wie er seine Mahsuri genau kennengelernt hatte, kursierten diverse Gerüchte. Er selbst schwieg zu diesem Punkt. Die Ehe schien jedoch bestens zu funktionieren und überaus fruchtbar zu sein. Längst hatte ich den Überblick verloren, wie viele Kinder er hatte und ob seine Frau gerade mal wieder schwanger war oder jüngst entbunden hatte. Mahsuri selbst hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen. Balke dagegen schon, und er schwor, sie sei die hässlichste Frau, die er je gesehen habe.
    Das Heidelberger Ortsschild und die Schleuse blieben zurück, bald kam die Alte Brücke in Sicht. Die Neckarwiesen an beiden Ufern – zwei bunte Meere von Menschen, Handtüchern und Sonnenschirmen. Auf dem Fluss trieben alle möglichen und unmöglichen Wasserfahrzeuge, von der einfachen Luftmatratze über Faltboote und Kanus bis hin zu kleinen Segelbooten mit schlapp herabhängender Takelage. Sogar eine aufblasbare Insel samt Palme bekam ich zu Gesicht. Kinderstimmen kreischten, es roch nach Wasser und Ferien. Ich hatte nicht die geringste Lust zu arbeiten und beneidete Vangelis, die für zwei Wochen nach Kreta geflogen war, wie ich vorhin von Balke erfahren hatte.
     
    »Paps, wir brauchen Geld!«
    »Das tun wir alle.«
    Wir saßen beim Abendessen zusammen.

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