Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
der Gedanke, jemand könnte ihr wehtun, erfüllte ihn mit Zorn.
    »Ja, Herr.« Kip wandte sich zum Gehen, dann zögerte er. »Herr, was ist ein Superchromat?«
    »Eine verfluchte Nervensäge. Geh jetzt!«

5
    Da würde einiges auf ihn zukommen. Der Brief, der Du-hast-einen-Sohn-Brief, war nicht versiegelt gewesen. Gavin war sich ziemlich sicher, dass die Leute der Weißen seine gesamte Korrespondenz lasen. Aber Karris hatte gelacht, nachdem sie ihm den Brief unter der Tür durchgeschoben hatte, und das bedeutete, dass sie ihn nicht gelesen hatte. Also wusste sie es nicht. Noch nicht. Sie war gegangen, um der Weißen Bericht zu erstatten, die Gavin erwartete.
    Er ließ die Schultern kreisen, reckte den Hals in die eine Richtung und dann in die andere, was ihm jedes Mal ein befriedigendes kleines Knacken bescherte, dann setzte er sich in Bewegung. Seine Schwarzgardisten schlossen sich ihm an; jeder der Männer trug eine Radschlossmuskete und einen Ataghan oder eine andere Waffe. Er stieg die Treppe zu der offenen Dachterrasse der Chromeria hinauf. Wie immer bemerkte er zuerst Karris. Sie war klein und von der Natur mit fülligen Kurven ausgestattet, aber nach jahrelangem, anstrengendem Training wirkte sie vor allem muskulös und sehnig. Ihr Haar war heute glatt, lang und platinblond. Gestern war es rosa gewesen. Gavin gefiel es blond. Blond bedeutete im Allgemeinen, dass sie in guter Stimmung war. Die Veränderungen ihrer Haarfarbe waren nichts Magisches. Sie wechselte sie einfach gern regelmäßig. Oder vielleicht fand sie, dass sie derart aus der Masse herausragte, dass sie sich geradeso gut den Versuch sparen konnte, darin unterzugehen.
    Wie die anderen Schwarzgardisten, die die Weiße beschützten, trug Karris eine feine, schwarze Hose und eine Bluse, die zum Kämpfen geschnitten und schlicht war bis auf die Goldstickerei an der Schulter und am Hals, die ihren Rang offenbarte. Die Schwarzgardisten trugen je einen schmalen schwarzen Ataghan – ein leicht nach vorn gebogenes Schwert mit einer Schneide – und statt eines Schildes eine stählerne Parierstange mit einem kurzen Dolch in der Mitte. Sie waren ausgiebig in der Benutzung von beidem sowie einer Anzahl weiterer Waffen ausgebildet. Im Gegensatz zu ihren Kameraden hatte Karris allerdings nicht die tiefschwarze Hautfarbe eines Parianers oder Ilytaners.
    Und sie schien tatsächlich noch in guter Stimmung zu sein. Ein schelmisches kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Gavin zog eine Augenbraue hoch und sah sie an, wobei er so tat, als sei er leicht verärgert über ihren Streich mit den Fenstern seines Zimmers. Dann trat er vor die Weiße hin.
    Orea Pullawr war eine eingefallene alte Frau, die immer häufiger den fahrbaren Stuhl benutzte, in dem sie jetzt saß. Ihre Schwarzgardisten sorgten dafür, dass es bei jedem Wachwechsel mindestens einen stämmigen Mann gab, für den Fall, dass sie die Treppe hinauf- oder hinuntergetragen werden musste. Aber trotz ihrer körperlichen Gebrechlichkeit hatte Orea Pullawr seit mehr als zehn Jahren keinen Herausforderer um die weiße Robe mehr bekämpfen müssen. Die meisten Menschen konnten sich nicht einmal an ihren richtigen Namen erinnern; sie war einfach die Weiße.
    »Seid Ihr bereit?«, fragte sie. Selbst nach all den Jahren hatte sie immer noch Mühe zu akzeptieren, dass dies für ihn nicht schwer war.
    »Ich werde zurechtkommen.«
    »Das tut Ihr immer«, sagte sie.
    Ihre Augen waren einmal grau gewesen, aber jetzt füllten zwei breite, blasse, farbige Bögen jede Iris aus, oben blau und unten grün. Die Weiße war eine blaugrüne Bichromatin, aber die Farbbögen in ihren Augen waren wie ausgewaschen, entsättigt, weil sie sehr lange nicht mehr gewandelt hatte. Denn ihre Farben hatten den Halo – die äußere Grenze der Iris – erreicht. Falls sie jemals wieder wandeln sollte, würde sie den Ring sprengen: Die Farbe würde in das Weiß der Augen eindringen, und das würde ihr Ende sein. Das war der Grund, warum sie keine farbige Brille trug. Im Gegensatz zu anderen Wandlern, die sich zurückgezogen hatten, hielt sie nicht einmal an der Heuchelei fest, ihre unbenutzte Brille mit sich herumzutragen, um alle daran zu erinnern, was sie einst gewesen war. Orea Pullawr war die Weiße, und das war genug.
    Gavin ging auf ein Podest zu, über dem an einer gebogenen Schiene, so dass für jede Tages- und Jahreszeit die richtige Position gewählt werden konnte, ein großer, geschliffener Kristall hing. Er brauchte ihn

Weitere Kostenlose Bücher