Verfuehrt, Verlobt - Verraten
1. KAPITEL
Mit dem Stadtplan, den sie seit ihrer Landung in Mailand wie einen Talisman umklammerte, fächelte Caroline sich Luft zu und sah sich um. Irgendwo hier zwischen diesen historischen Gebäuden an der großen Piazza lag ihr Ziel. Eigentlich hätte sie es direkt ansteuern und der Versuchung einer kalten Limonade und eines sündhaft süßen und kalorienreichen Stück Kuchens in einem der vielen Cafés widerstehen sollen, aber ihr war heiß, sie war erschöpft, und sie hatte Hunger.
„Es ist doch keine große Mühe“, hatte Alberto ihr zugeredet. „Ein kurzer Flug, ein Taxi … noch ein paar Schritte bis du seine Büros gefunden hast … Und denk doch nur, was du dir alles ansehen kannst – den berühmten Dom, die eleganten Palazzi, die schicken Läden. Es ist lange her, seit ich zuletzt in Mailand war, aber an die Galleria Vittorio kann ich mich noch gut erinnern.“
Caroline hatte den alten Mann skeptisch angesehen, und immerhin besaß er so viel Anstand, dass er zerknirscht lächelte. Dieser Trip nach Mailand fiel wohl kaum in die Kategorie „Vergnügen“. Zwei Tage standen ihr zur Verfügung, und wenn sie an die mit dem Auftrag verbundenen Erwartungen dachte, zog sich ihr Magen zusammen.
Sie sollte Giancarlo de Vito finden und ihn überzeugen, mit ihr zum Comer See zurückzukommen.
„Ich würde ja selbst fliegen, Liebes“, hatte Alberto gemurmelt, „doch meine Gesundheit erlaubt es mir nicht. Der Doktor sagt, ich muss mich schonen. Mein Herz … du verstehst …“
Noch immer fragte Caroline sich, wie sie sich zu dieser Mission hatte überreden lassen, doch jetzt war es zu spät. Sie war hier, an einem heißen Julitag, umringt von Menschenmassen. Es wäre vergeudete Zeit, jetzt noch die Nerven zu verlieren.
Schließlich war sie nur der Bote. Ob die Mission erfolgreich ausgehen würde oder nicht, interessierte sie nicht wirklich. Alberto natürlich schon, aber sie war nur die persönliche Assistentin, die einen etwas seltsamen Auftrag für ihn ausführte.
Sie schaute noch einmal auf den Stadtplan und steuerte die enge Gasse an, die sie mit Hellrot markiert hatte.
Auf jeden Fall war sie falsch angezogen für diese Reise. Am See war es wesentlich kühler gewesen, doch hier in der glühenden Hitze klebten ihr die helle Hose an den Beinen und die leuchtend gelbe Bluse am Rücken. Auch wünschte sie, sie hätte sich das Haar strenger zurückgebunden. Zwar hatte sie es zu einem Zopf geflochten, aber einige Strähnen hatten sich bereits gelöst und fielen ihr nun ins Gesicht.
Viel zu beschäftigt mit dem eigenen Unbehagen und dem Ärger über ihren Auftrag, hatte sie keinen Blick für die wunderschöne alte Kathedrale. Unwirsch zog sie ihren Rollkoffer hinter sich her wie ein ungezogenes Kind. Jeder mit einem weniger heiteren und gutmütigen Wesen hätte seinen älteren Arbeitgeber sicherlich in Gedanken verflucht. Doch Caroline, obwohl müde, verschwitzt und hungrig, war zuversichtlich, dass sie ihre Mission erfüllen würde. Sie glaubte unerschütterlich an das Gute im Menschen. Ganz im Gegensatz zu Alberto, der wohl der Welt größter Pessimist sein musste.
Noch einmal prüfte sie die Adresse, die sie fein säuberlich auf eine Karteikarte geschrieben hatte. Ja, sie war angekommen. Begeistert schaute sie an dem dreistöckigen Gebäude hoch – pinkfarbener Sandstein, wunderschön gealtert, zwei Säulen, die den Eingang flankierten. Ihre Laune hob sich. Wie schwierig konnte Giancarlo schon sein, wenn er in einem so großartigen Gebäude arbeitete?
„Viel kann ich dir nicht über ihn erzählen“, hatte Alberto geseufzt, als sie ihn nach Details fragte. „Es ist Jahre her, seit ich ihn gesehen habe. Die Fotos sind auch längst alle veraltet. Wenn ich einen Computer hätte … Aber warum sollte ein alter Mann wie ich noch lernen, mit einem solchen Ding umzugehen?“
Sie hatte angeboten, ihren Laptop zu holen, doch Alberto hatte nur abgewinkt.
„Lass nur, ich halte nichts von solchen Spielereien. Fernseher und Telefon, das sind die letzten technischen Neuerungen, die ich mitgemacht habe.“
Insgeheim stimmte Caroline ihm zu. Sie nutzte ihren Computer praktisch nur für E-Mails. Sich hier im Haus ins Internet einzuloggen, war so gut wie unmöglich. Und so hatte sie nur wenige Informationen, an die sie sich halten konnte. Sie vermutete allerdings, dass Giancarlo reich sein musste, schließlich hatte Alberto gesagt, dass der Junge „etwas aus sich gemacht hatte“.
Sie fand ihre Vermutung
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