Schwarzes Prisma
Stadt um. Sein Blick war immer noch eingeschränkt, konnte sich nur auf ein Objekt gleichzeitig richten; er verlor bei der Betrachtung von Teilen das Ganze aus dem Auge. Die Lichtkrankheit. Er wusste, dass sie eine ganze Armee hinter sich hatten, aber er sah nur einen Mann, der die Lunte seiner Muskete überprüfte; die Hälfte seines Schnurrbarts war weggebrannt, und er befingerte den Ladestock seiner Muskete, drehte ihn in seiner Halterung; er hatte das Bajonett aufgepflanzt, kratzte sich damit den Rücken und scherzte mit seinen Kameraden, als sei er restlos unbesorgt, während seine zusammengekniffenen, toten Augen etwas ganz anderes verrieten. Der Mann redete ununterbrochen, aber niemand schenkte ihm die geringste Aufmerksamkeit.
Kip ließ den Blick über die leere Wasserfläche des Hafens gleiten. Kein einziges Schiff mehr übrig. Selbst das kleinste Beiboot war verschwunden. Auf einem Kai gegenüber ihrem sah er einen riesigen, dunkelhäutigen Mann, den Dutzende von Spiegelmännern jagten und umstellten. Etwas Trotziges lag in der Haltung des Mannes, aber die Spiegelmänner richteten von allen Seiten Musketen auf ihn.
Eisenfaust.
»Werde ich verrückt, oder ist das Hauptmann Eisenfaust?«, fragte Kip.
»Herr?«, fragte ein Mann, der neben Kips Pferd stand.
»Beweg dich!«, rief Kip. »Beweg dich!« Mit einigen Flüchen teilten sich die Männer für ihn.
»Kip! Was machst du da?«, rief Corvan Danavis. Er konnte Eisenfaust nicht sehen.
Kip hörte ihn kaum. Er grub die Fersen in die Flanken des Pferdes und klammerte sich fest, als gelte es sein Leben. Das Pferd brach sich aus Hunderten nervöser Menschen frei und galoppierte los. Kip wurde umhergeschleudert wie ein Sack Granatäpfel, aus denen man die Kerne und den Saft gewinnen wollte. Das Pferd jagte am Kai entlang, in die richtige Richtung – aber es wurde nicht langsamer. Kip zog hart an den Zügeln, doch das Pferd hatte das Gebiss zwischen den Zähnen. Und es ließ nicht los.
Die Spiegelmänner sahen Kip kommen und brüllten. Einige hatten noch Zeit, Schüsse abzufeuern. Kip hätte schwören können, dass eine Musketenkugel sein Ohr mit heißer Zunge leckte.
Ich bin die dümmste Person, der ich je begegnet bin. Als das Pferd auf Eisenfaust und die Spiegelmänner zustürmte und immer noch nicht langsamer wurde, riss Kip die Füße aus den Steigbügeln, sprang aus dem Sattel und stürzte sich auf die Spiegelmänner.
Was immer er zuvor mit all dem grünen Luxin getan hatte, das alles gepolstert hatte – diesmal tat er es nicht. Er verfehlte die Spiegelmänner und schlug hart auf, drehte sich wieder und wieder um sich selbst und schlug sich seine aufgeplatzte, verbrannte linke Hand an irgendetwas an. Es war, als laufe Feuer durch jedes Gelenk in seiner Hand. Er schlug sich den Kopf an, schlitterte rücklings weiter, während seine Kleider sich verhedderten, und versuchte aufzustehen.
Er schaute in Richtung Stadt. In dieser Richtung war niemand. Er drehte sich zu Hauptmann Eisenfaust um, stolperte und fiel. Fing sich mit der linken Hand ab. Tränen schossen ungebeten aus seinen Augen. Qual.
»Nein!«, schrie Eisenfaust.
Kip schwankte auf einem Knie, von Schwindel befallen, einzig gestützt durch seine kreischende linke Hand. Er wollte sich auf den Rücken fallen lassen, wollte diesen Männern zeigen, dass er keine Bedrohung darstellte, wollte sie anflehen, ihn nicht zu verletzen.
Ich verbringe mehr Zeit auf dem Rücken als ein Mietmädchen. Genug.
Einer der Männer hatte sein Bajonett aufgepflanzt. Er trat auf Kip zu. Kip stieß sich hoch – das Feuer des Schmerzes schoss seinen Arm hinauf.
Kip deutete mit seiner ruinierten linken Hand auf den Spiegelmann und ließ das Feuer hinaus. Flammen brüllten auf und verschlangen den Mann. Seine Spiegelrüstung war nutzlos.
Kip erhob sich taumelnd und schleuderte mehr und mehr Feuer in die Wachen hinein. Und dann fand er heraus, warum Corvan gesagt hatte, er würde einen Monat lang nicht wandeln wollen, wenn er lichtkrank wurde. Sein Magen kochte; er übergab sich.
Er konnte sich nicht auf den Füßen halten. Der Schwindel und die Übelkeit fällten ihn, als sei er an den Knien abgeschnitten worden. Sein Magen krampfte sich so heftig zusammen, dass er sich krümmte, sich in eine Fötusposition rollte, immer noch kotzend. Das Erbrochene spritzte ihm bis auf die Hose.
Wieder gelingt es Kip, dem edlen Weißen Ritter, nichts zu tun.
Er war tot. Er wusste, dass er tot sein musste. Die Männer waren
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