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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Edelleuten, sondern vor seinen Männern. Er sah, dass er verlor, aber angesichts der blutigen Leichen, die ringsum verstreut lagen, und der schiefen Blicke, die seine Männer ihm zuwarfen, glaubte er nicht, dass er es sich leisten konnte zu verlieren. »Gewiss seid Ihr nicht Hunderte von Wegstrecken gereist, nur um in unserem Königreich nach Banditen zu suchen? Und dann auch noch unangemeldet. Man könnte meinen, Ihr hättet Euch im Schutz der Dunkelheit in unser Königreich geschlichen wie ein Spion.«
    Ah, dumm war er auch nicht. Wenn man auf der Verliererstraße war, sollte man schnell einen neuen Weg einschlagen. Gavin blickte noch einmal zu dem Jungen hinüber, um zu sehen, wie er sich hielt. Nicht gut. Er zitterte praktisch vor Entsetzen. Er hatte nur Augen für Rask Garadul. Oder war das Zorn?
    »Ein Spion?«, fragte Gavin leichthin. »Wie lustig. Nein, nein, nein. Für dergleichen Dinge hat man Leute. So etwas macht man nicht selbst. Gewiss seid Ihr lange genug König, um das zu wissen?«
    »Was tut Ihr hier?«, fragte König Garadul. Wiederum schockierend rüde, wären sie am Hof irgendeiner Hauptstadt der Sieben Satrapien gewesen. Er schaute den Jungen an, und Gavin wusste, dass dieser verloren war. Er konnte fortgehen – er war schließlich das Prisma, und selbst die Ermordung von dreißig von Garaduls Spiegelmännern war nicht genug, um seine Ergreifung für dieses Verbrechen zu rechtfertigen. Vor allem nicht unter fragwürdigen Umständen. Rask würde damit das Risiko eingehen, dass sich alle anderen Satrapien gegen ihn verbündeten. Die Ermordung eines Satrapen würde als eine empörende Verfehlung gelten; die Ermordung des Prismas als eine unvorstellbare. Aber Rask spürte, dass er verlor, und dafür würde er Gavin zahlen lassen. Er würde ihm so wehtun, wie er konnte.
    Gavin würde man gehen lassen; den Jungen würde man töten.
    »Ich habe Rauch gesehen«, sagte Gavin. »Ich diene den Sieben Satrapien in verschiedenen Belangen, zu denen auch die Ausmerzung von Farbwichten gehört. Ich bin gekommen, um zu helfen.«
    »Was tut Ihr in unserem Königreich?«
    »Mir war nicht bewusst, dass Ihr Eure Grenzen geschlossen habt. Tatsächlich war ich mir der Existenz dieses neuen ›Königreichs‹ überhaupt nicht bewusst. Dies erscheint mir unnötig … feindselig. Insbesondere der Wunsch, einen Diener des Reiches, wie ich es bin, fernzuhalten.« Der Mythos höflichen Dialogs zwischen desinteressierten, vernünftigen Nachbarn, dieser Mythos, auf dem ein so großer Teil der Diplomatie ruhte, war hier offenkundig in Vergessenheit geraten – also brauchte sich auch Gavin nicht länger darauf zu stützen. »Verbergt Ihr etwas, König Garadul?«
    »Du kommst aus Rekton, nicht wahr, Junge?«, fragte König Garadul. Er würde Gavins Spiel nicht mitspielen. »Wie ist dein Name? Wer ist dein Vater?«
    »Ich bin Kip. Ich habe keinen Vater. Die meisten von uns haben keinen. Nicht mehr seit dem Krieg.« Die Worte des Jungen fuhren Gavin durch die Eingeweide wie eine Lanze. Er hatte sich beinahe gestattet zu vergessen. Der Krieg des Falschen Prismas hatte Dutzende dieser kleinen Städte ausgelöscht. Alle Männer, angefangen von Knaben, denen noch kein Schnurrbart wuchs, bis hin zu den Alten, die ihre Speere als Gehstöcke benutzen mussten, waren von der einen oder anderen Seite in Dienst gepresst worden. Und er und sein Bruder hatten sie gegen einige der begnadetsten Wandler, die die Welt gekannt hatte, in den Kampf geschickt. Wie Bretter in eine Sägemühle.
    »Was ist dann mit deiner Mutter?«, fragte König Garadul verärgert.
    »Ihr Name war Lina. Sie hat in zwei der Gasthäuser ausgeholfen.«
    Gavin blieb das Herz stehen. Lina, die Verrückte, die ihm den Brief geschickt hatte, war tot. Dieser Junge, dieser ängstliche Junge, war angeblich sein Sohn? Der einzige Überlebende einer niedergebrannten Stadt stand hier, und er war der Einzige, der Gavin Schwierigkeiten bereiten konnte. Wenn Gavin an Orholam geglaubt hätte, hätte er es für einen grausamen Streich gehalten.
    »Lina, ja, ich denke, das war der Name der Hure«, sagte König Garadul. »Wo ist sie?«
    »Meine Mutter war keine Hure! Und Ihr habt sie getötet! Ihr Mörder!« Der Junge schien den Tränen nahe zu sein, obwohl Gavin nicht erkennen konnte, ob es Tränen des Zorns oder der Trauer waren.
    »Tot? Sie hat mir etwas gestohlen. Du wirst uns zu deinem Haus führen, und wenn wir es nicht finden können, wirst du für mich arbeiten, bis du es

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