Schwarzes Verlangen
Kanes Brust, bevor sie zu Boden fiel. Um ihn herum explodierte eine Federwolke, begleitet von einem schmerzerfüllten Piepsen. Während er noch nach Atem rang, beugte er sich hinunter, um zu sehen, wie schwer es den Vogel erwischt hatte.
Das Tier starb, bevor er es auch nur berühren konnte.
Das Mädchen. Gib mir das Mädchen.
Kane richtete sich auf und schloss für einen Moment die Augen. Er wusste, was Katastrophe wirklich wollte – dass Kane seine Frau betrog, dass er das Vertrauen zerstörte, das sie gerade erst mühsam aufgebaut hatten, und damit jede Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft zunichte machte. Wenn Lucien Tink dann fortbrächte, wäre die Distanz zwischen ihnen mehr als nur räumlich. Sie wäre geistig, emotional. Und es würde keine Rolle mehr spielen, ob Katastrophe starb oder nicht. DerSchaden wäre angerichtet, jegliche Hoffnung dahin, Kanes Leben ruiniert.
Welches Desaster könnte umfassender sein als das?
Ich kann nicht, dachte Kane. Ich werde es nicht tun.
Und doch, als in der nächsten Sekunde eine riesige Reklametafel von der Hauswand neben ihm stürzte und die Menschen um ihn herum panisch davonrannten, um nicht zerquetscht zu werden, hallte das Wort Apokalypse in seinem Kopf wider, und wie aus der Ferne beobachtete er sich dabei, wie er die Straße überquerte und sich der Frau näherte.
Vielleicht findet deine Fae es ja nie heraus , behauptete Katastrophe , doch die Schadenfreude in seinem Ton strafte seine Worte Lügen. Es kann ja unser kleines Geheimnis bleiben.
Nein. Geheimnisse gab es nicht. Die Wahrheit hatte so eine Art an sich, immer ans Tageslicht zu kommen. Darüber hinaus würde er so etwas niemals vor Tink verbergen.
Plötzlich hatte er das unterschwellige Gefühl von einer weiteren Präsenz um sich herum. Jemand Sanftes, Zartes, lieblich und unschuldig. Jemand, der nach frisch gebackenem Brot roch.
Tink?
Er runzelte die Stirn und suchte die Umgebung nach irgendeinem Hinweis auf ihre Anwesenheit ab, doch da war nichts. Seine Schuldgefühle mussten ihm einen Streich spielen. Entweder das, oder es war Katastrophe .
„Ich werde nicht tun, was du von mir verlangst“, beharrte er.
Küss diese Frau, und ich lasse deine Josephina in Ruhe.
Tink. In Sicherheit. „Ma’am“, setzte er an und spürte Galle in seiner Kehle aufsteigen.
Die Fremde sah zu ihm auf. Furcht glänzte in ihren Augen. „Was ist da hinten los?“
„Jedenfalls ist es verdammt gefährlich hier. Kommen Sie, ich bringe Sie in Sicherheit, in Ordnung?“
Das Schaufenster hinter ihrem Rücken zersprang. Kreischend warf sie sich Kane in die Arme.
Hier eine Hand … dort ein Mund … so hilflos …
Erinnerungen prasselten auf ihn ein, schnell und erbarmungslos. Mühsam kämpfte er gegen den Drang, sich von der Frau loszureißen, von der Vergangenheit, und sich von Kopf bis Fuß mit Stahlwolle abzuschrubben. Trotzdem schaffte er es, sich sanft aus ihrer Umklammerung zu lösen.
KÜSS SIE!
Ihm trat der Schweiß auf die Stirn. Hinter ihm brach ein Dachstuhl ein.
Die Frau bebte vor Angst am ganzen Körper. „Das ist das Ende der Welt“, wisperte sie.
Wie … eine Apokalypse.
Ein Gefühl der Dringlichkeit ergriff Besitz von ihm, vereinte sich mit Furcht und Panik. „Schwör’s“, sagte er an Katastrophe gerichtet. „Schwör mir, dass du Tink in Ruhe lässt.“
„Wen?“, fragte die Frau.
Ich schwöre es.
Bevor er es sich noch anders überlegte, beugte Kane sich vor und küsste sie. Sie versteifte sich, doch schob ihn nicht weg; dann stieg der Brechreiz in ihm hoch, und er richtete sich auf.
Augenblicklich verschwand die geheimnisvolle Präsenz.
Katastrophe lachte. Das war natürlich gelogen. Was für ein Narr du doch bist, mirzu vertrauen.
Wieder schlug Kane auf die Backsteinmauer ein und scherte sich nicht darum, als beim Aufprall seine Knöchel brachen. Er hätte es wissen müssen. Der Dämon würde alles tun, um seine kostbarste Beziehung zu zerstören – und vermutlich war es ihm bereits gelungen. Und ich hab dabei auch noch mitgemacht, alles bloß für eine Lüge. Erneut hämmerte er mit der Faust gegen die Wand.
„I-ist alles in Ordnung?“, stotterte die Fremde.
„Ich hab nach dir gesucht“, mischte sich eine Männerstimme hinter ihm ein.
Die Macht, die von dieser Stimme ausging, alarmierte ihn. Ebenso Katastrophe . Mit einem plötzlichen Schreckenslaut versteckte sich der Dämon ganz tief in Kanes Hinterkopf. Kane fuhr herum und begegnete dem Blick eines Himmelsgesandten.
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