Schwarzwaldau
sie hastig den Kopf hin und her wendete, gleichsam um zu verneinen. Dennoch wäre ich, von zerreißender Leidenschaft gemartert, eingedrungen, trotz ihres pantomimischen Verbotes, hätte ich nicht die Gasse herauf eine alte Gönnerin meiner Mutter, eine ihrer Wohlthäterinnen, welche wahrscheinlich gerade nach unserer Wohnung ging, sich von ihrem Livreediener gefolgt, mir entgegen bewegen sehen. Es blieb mir nichts übrig, als die quälende Neugierde, was Lucie mir sagen wollen, mit in die Schule zu nehmen und mich drei ewige Stunden von ihr foltern zu lassen. Fast noch entsetzlicher war die Frist bis zum Eintritt der Dämmerung, die ich auf der Geliebten ausdrückliches Gebot immer abwarten mußte. Die Vermuthungen, Zweifel, Besorgnisse, die sich wegen Luciens unerklärlichem Warnungszeichen in meinem Gehirn kreuzten, sind unzählig; mir kommt vor, es gäbe keine Möglichkeit hienieden, an die ich dabei nicht gedacht, die ich nicht auf Augenblicke annehmbar gefunden hätte? – Keine, außer seltsamerweise die richtige, welche doch leider die zunächstliegende war. Wie die erste Fledermaus unter den Bäumen sichtbar wurde, bog ich durch ein enges, verrufenes Seitengäßchen nach Luciens Häuschen. Die schmale Hausthür stand wie gewöhnlich offen. Doch im Innern des Wohngemaches hört ich die Bewohnerin, was allerdings ganz ungewöhnlich war, sehr laut reden; so laut, als ob sie absichtlich draußen gehört werden wolle. Wüthende Eifersucht beraubte mich meiner fünf Sinne; denn bei nur geringer Ueberlegung hätte ich doch nun begreifen müssen, daß die Warnung mir gelte. Ich stürzte mich wie ein wildes Thier hinein. Aber ich sollte bald gezähmt werden. Der Figurenhändler befand sich schon dort; mit ihm zwei Polizeidiener. Ist das Derselbe? fragte Einer von ihnen. Lucie verneinte lebhaft und behauptete, mich niemals gesehen zu haben. Ihr Mann dagegen sagte: was hilft hier Leugnen? Freilich ist er's, von dem sie das Armband erhielt. Darauf bemächtigte man sich meiner und zugleich traten auf ein Zeichen der Beamten noch einige Männer dem Häuschen näher, welche sich in der Nachbarschaft versteckt gehalten. Sie empfingen den Auftrag Lucie und deren Genossen zu transportiren. Ich wurde befragt: wie ich in den Besitz jenes Schmuckes gelangt sei? Meine Wuth über die gewaltsame Trennung von Lucie kochte mir so wild und feurig im Blute; wurde von der rasenden Leidenschaft, die ich in Ermangelung eines passenderen Namens Liebe nannte, noch dermaßen gesteigert, daß sie in diesem furchtbaren Moment weder Furcht, noch beschämte Niedergeschlagenheit aufkommen ließ. Ich gab weiter keine Antwort, als daß ich mit beiden Fäusten nach den Männern schlug, wobei ich den Einen am Auge verletzte und demnächst mit einem ganz einfachen Stricke festgebunden wurde. Mein Schweigen änderte nichts im Vorhaben der Beamteten, welche mir die Frage überhaupt nur der Form wegen vorgelegt hatten; sie wußten ja längst durch die im rothen Lederfutteral eingeklebte Adresse, an wen sie sich zu wenden gehabt, um zu erfahren, ob das
corpus delicti
verkauft, oder gestohlen sei? Jetzt kam es nur darauf an, die Person des Diebes zu recognosciren, weßhalb sie mich ohne Weiteres auf den Schauplatz der That geleiteten. Der Goldarbeiter bestätigte das Zusammentreffen der Umstände; seine Frau brach in einen Strom von Thränen aus über die Verderbtheit eines so jungen Menschen und bat Gott, er möchte ihre Söhne lieber sterben, als so tief sinken lassen. Das hörte ich noch mit erkünsteltem Trotze an und schlug mir die Gedanken an meine Mutter, die sich mir aufdrängen wollten, zornig aus dem Sinne. Als aber nun Stand und Name meiner Eltern erfragt wurden und ich keine Möglichkeit mehr vor Augen sah durch falsche Angaben auf die Länge zu täuschen, da war es, wie wenn plötzlich in meinem Innersten ein Schnitt geschähe, wie wenn sich das Herz gewaltsam losrisse, wie wenn ich's nicht überleben könnte. Mein Vater ist todt, schrie ich schluchzend, und warf mich zu Boden, weil ich die gebundenen Hände vom Rücken nicht vorbringen konnte, mein Angesicht zu verbergen. Wenn er noch eine Mutter hat, schrie die Frau des Goldarbeiters, dann lassen Sie ihn laufen, um ihretwillen: lieber will ich unser Armbaud nie wiedersehen. In Gottes Namen, setzte der Mann hinzu, ich bin's auch zufrieden. Das ist zu spät, erwiderten die Beamteten; dazu haben wir keine Befugniß; es ist Gesindel in die Sache verwickelt, dessen Spur schon seit lange verfolgt
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