Schwarzwaldau
empfangen, da er verstört und erhitzt in's Gastzimmer trat.
Franz war ein hübscher Junge. Sein Gesicht gehörte zu jenen eigenthümlichen, die analysirt, Zug für Zug geprüft, nichts haben, was ein Bildhauer, ein Maler loben würden, die aber im Ganzen und oberflächlich betrachtet, wohlgefallen, so lange sie jung sind. Seine Gestalt war schlank und fein; er machte Figur. Dieser Vorzug erregte ihm unter seines Gleichen nur Feinde, wie begreiflich. Denn die Menschen verzeihen ihrem Nächsten von allen Gaben am Wenigsten jene, welche Gaben der Natur, das heißt: unmittelbare Gaben des Himmels sind. Und was Göthe seinem Tasso in den Mund legt, findet nicht allein für den Hof von Ferrara, findet nicht nur an und bei sondern auch auf und in vielen Höfen gelegentlich seine Anwendung. Es paßt für alle Orte, für alle Zeiten und leider auch für alle Stände.
Deßhalb wurde in Schwarzwaldau der Livreejäger Franz spottweise ›Baron Franz‹ titulirt.
Baron Franz also setzte sich zum Verwalter, zum Revierjäger, zum Schulmeister, die ihm alle nur mögliche Zuvorkommenheit erwiesen. Der Mühlbauer einzig und allein, weil er der Unabhängigste war, warf sich nicht in Unkosten, dem Leibjäger Schönheiten zu sagen, oder auch nur seinetwegen in ein anderes Gespräch einzustimmen. Vielmehr zog er, ohne Unterbrechung, des Gutsherrn eheliche Verhältnisse in's Breitere und schonte die gnädige Frau dabei nicht. Auch der Revierjäger, sogar der Verwalter glaubten in des Mühlbauers Ton fortfahren zu dürfen, wenn sie nur ihre Bitterkeiten durch hinreichende Lobeserhebungen des gnädigen Herrn versüßten. Der Schullehrer, dessen Kinder beim letzten Weihnachtsfeste von Agnesen bekleidet worden, schwieg vorsichtig.
Franz schien verlegen. Es war leicht, ihm abzumerken, daß er gern für die Frau gesprochen haben würde, hätt' er nicht gewußt, daß er im Dorfe, und mit Recht, als des Herrn besonderer Günstling gelte. Bei allen Vorwürfen, welche Agnes trafen, vermochte er aber nicht zu schweigen. Namentlich wendete er lebhaften Eifer daran, sie gegen die Anklage des Hochmuthes in Schutz zu nehmen. »Was seid ihr doch für wunderliche Leute,« sagte er, »daß ihr gewisse wohlfeile Redensarten, die man euch gedankenlos in's Gesicht wirft, für den Ausdruck aufrichtiger und herzlicher Gesinnung aufnehmt? Weil unsere gnädige Frau nicht so derb und zutraulich mit euch zu plaudern vermag, wie es der Herr leicht kann, scheltet ihr sie stolz und gemüthlos. Das ist ungerecht. Sie meint es gut mit allen Menschen, ist die Sanftmuth selbst, und keinen Bittenden wird sie von sich weisen, er soll nur das Vertrauen finden, sich an sie zu wenden. Sie kann euch doch nicht entgegenkommen? Ohnedieß ist sie mehr schüchtern, als vorlaut, und das ist bei ihrer Einsamkeit sehr natürlich. Was führt sie für ein stilles Leben, ohne Zerstreuung, ohne Umgang, ohne Abwechselung! Er steckt den ganzen Tag über in der Wirthschaft, oder im Walde; wenn er des Abends heimkommt, wirft er sich in den Lehnsessel und lieset. Wo soll sie Heiterkeit hernehmen? Wo soll sie frohen Sinn finden? Sie muß trübselige Mienen zeigen – und die legt ihr der armen Dame für Stolz aus. Ich sage, das ist ungerecht!«
Der Verwalter sah den Revierjäger befremdet an und dieser wieder den Schulmeister, welcher zuletzt dem Erstaunen der Uebrigen Worte lieh, indem er äußerte: »Sehr schön weiß sich der Herr Leibjäger auszudrücken, das muß man ihm lassen!« Und der Mühlbauer setzte hinzu: »Auch mag er schier die Wahrheit reden; denn weil er doch des Herrn sein Liebling ist und stellt sich auf der Frau ihre Seite, kann er für einen unbestochenen Zeugen gelten. Nur soll er sich in Obacht nehmen, daß der Herr nichts davon erfährt. Bei dem würde er sich kein Bildchen einlegen dadurch. Schiebt er nicht so zu sagen alle Schuld der unglücklichen Ehe auf den Mann, da er die Frau verdefendirt? Denn unglücklich ist die Ehe schon einmal; das sieht ein Blinder.«
Franz mochte fühlen, daß er zu weit gegangen, und überzeugt, es sei weder dem Verwalter, noch dem Revierjäger zu trauen. lenkte er ein, indem er versicherte: unglücklich wäre die Ehe keinesweges; dergleichen könne nur Verleumdung behaupten; die gnädige Frau liebe ihren Gemal und durch diese ihre Liebe werde sie für manche Entbehrungen äußerlicher Art genugsam entschädiget. Auch könne man zufrieden und glücklich sein, ohne sein Glück in heiterer Lebendigkeit zur Schau zu tragen. Vielleicht
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