Schwarzwaldau
vorwurfsfrei‹ darin las; als zur nämlichen Frist der Kreislandrath mir ankündigte: die über mich verhängte polizeiliche Aufsicht sei nun zu Ende und er entlasse mich daraus mit dem besten Zeugniß und der umfassendsten Empfehlung; – da hob sich meine Brust wieder in jugendlichem Frohsinn; da lachte mich das Leben wieder an und erfüllte mich mit neuer Lust und neuen Trieben. Die Trennung von unsern Wäldern, die zum zweitenmale meine Heimath geworden; von den redlichen Dörfnern, deren Nachsicht und Güte mich neu geboren; der Abschied von Daniel, meinem zweiten Vater; . . . ich überstand es leichter, weil ich in die Fremde zog; weil diese mir unbestimmte, deßhalb um so verführerischere Lockungen verhieß. So trat ich meine Wanderschaft an und gelangte bis nach Schwarzwaldau –«
Hier hielt Franz plötzlich inne.
Emil starrte ihn fragend an: »Das kann nur die Einleitung gewesen sein,« sprach er; »zu den neuen Lebenshoffnungen, welche Dich noch erfüllten, als Du in meinen Dienst eintratest, müssen wieder neue Ursachen der Verzweiflung gekommen sein? Und woher kamen diese? Hast Du Klage gegen mich zu führen? Gegen die Behandlung, welche Dir bei uns zu Theil wurde? Fast möchte ich so etwas befürchten, weil Du den Lauf Deiner lebendigen Erzählung gerade beim Eintritt in mein Haus unterbrichst. Und doch weiß ich, daß ich mir keine Vorwürfe dieser Art zu machen habe. Warum schweigst Du?«
»Bisher,« antwortete Franz, »galt es nur mir, meinem Geschick, meinen Vergehungen, meiner Ehre. Jetzt bin ich an einen Punct gelangt, wo ich durch rücksichtslose Bekenntnisse vielleicht auch Andere verletzen würde? Und ich weiß nicht, wie weit es mir gestattet bleibt, in meiner Aufrichtigkeit zu gehen?«
»Du scheinst unser Abkommen zu vergessen,« sagte Emil. »Mit welchem Rechte drangst Du mir mein Ehrenwort ab, mich nicht zu tödten, wenn Du das Versprechen nicht halten willst, mir die Gründe für Deine selbstmörderischen Absichten bis auf's Genaueste zu enthüllen? Nanntest Du uns nicht gestern ›Vertraute?‹ Woher heute die unerwartete Scheu, mich zu verletzen?«
»Nicht allein Sie,« erwiderte zögernd Franz; »vielleicht auch . . . . . ?«
»Vielleicht auch Agnesen? – Gleichviel; es muß klar werden; völlig klar, oder völlig dunkel zwischen uns! Rede!«
Wie Franz diesem Befehle genügte, mag der Anfang des nächsten Capitels berichten.
Drittes Capitel.
»Ich erwähnte schon,« fährt Franz wieder fort, »mit welch' kühnen Lebensansprüchen ich die Försterei verließ. Die niederbeugenden Erinnerungen an meine Schande waren verwunden, seitdem ich in Ueberlegung gezogen, daß sie sich an den Namen meiner Väter knüpften; daß das Gerücht, wenn es aus Mangel an pikanterem Stoffe zufällig auf meine Geschichte sich zurückwenden wollte, stets nur den jungen Baron Franz im Munde führen würde. Vom Jäger Sara wußten wenige Personen, daß er mit jenem Zuchthäusler identisch sei und diese hatten entweder gute Gründe, nicht davon zu sprechen, oder sie hatten ihn längst vergessen. Bis in diese Gegend zuverlässig war nichts gedrungen, was mich berühren könnte, so wähnte ich. Ein vollkommen Unbescholtener war ich in Schwarzwaldau und dieß Bewußtsein steigerte mein Selbstgefühl. Die Art, wie Sie mich empfingen und aufnahmen, trug wahrlich nicht dazu bei, mich herabzustimmen. Meine Eitelkeit empfand sehr wohl, welch' günstigen Eindruck ich durch mein Erscheinen auf Sie machte und ich verhehlte mir nicht, daß ich leichtes Spiel haben dürfte, mich Ihnen zu nähern und vorzugsweise vor allen übrigen Dienern Ihre besondere Gunst zu erwerben. Nach diesem Geständnisse werden Sie seltsam finden, daß meinerseits weniger als nichts geschah, diese Auszeichnung, die Sie mir allerdings zu Theil werden ließen, noch zu steigern? Meine Erklärung dieses Räthsels lautet sehr einfach: ich verschmähte dieß. In den ersten Stunden meiner Anwesenheit hatte ich klar gesehen über Ihr Verhältniß zu der gnädigen Frau: ich war überzeugt, daß Sie in unglücklicher Ehe lebten. Nicht minder war ich es, daß Sie davon die Schuld tragen. Ich nahm Partei für Ihre Gemalin. Ich stellte mich auf die Seite der Unterdrückten. Ich fühlte Mitleid, Verehrung, Bewunderung, – ich begann sie zu lieben; ich liebe sie!«
Bei diesen Worten springt Emil zornig empor, kaum fähig, den Ausbruch seines Unwillens zu beherrschen.
Franz rührt sich nicht aus der bequemen Lage, die er am Boden
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