Schwer verliebt: Roman (German Edition)
mit sämtlichen Problemen zu Tom – Konflikte mit den Zimmergenossen, akademische Themen, finanzielle Sorgen, sexuelle Identitätskrisen. Es gibt kein Problem, mit dem Tom nicht schon konfrontiert war.
Wenn ein Student krank wird, muss sich ebenfalls der Wohnheimleiter darum kümmern. Also verbringt Tom viel Zeit in der Notaufnahme, vor allem am Wochenende, wenn die Kids Alkohol trinken. Und dieser Job – vierundzwanzig Stunden Dienst pro Tag, dreihundertdreiundvierzig Tage im Jahr (alle Verwaltungsangestellten des New York College haben zweiundzwanzig Tage Urlaub im Jahr) – bringt ihm nicht mehr ein, als ich verdiene, plus freie Unterkunft und Verpflegung.
Ist es da ein Wunder, dass meine letzte Chefin es nur ein paar Monate lang ausgehalten hat?
Tom scheint allerdings mehr Durchhaltevermögen zu besitzen. Er ist eins achtundachtzig groß und zweihundert Pfund schwer, und er hat früher in Texas bei der Telefongesellschaft gearbeitet. Nach New York ist er gezogen, weil er endlich mal was von der Welt sehen wollte.
»Hör mal, Heather«, sagt Tom müde. »Ich sitze hier bestimmt
noch ein paar Stunden lang fest. Wir hatten gestern Abend einen einundzwanzigsten Geburtstag.«
»Oh, oh.« Einundzwanzigste Geburtstage sind das Allerschlimmste, weil das unglückselige Geburtstagskind unweigerlich von seinen Partygästen gezwungen wird, einundzwanzig Schnäpse zu trinken. Da der menschliche Körper so viel Alkohol in so kurzer Zeit nicht verarbeiten kann, endet der große Tag meistens im Krankenhaus. Nett, was?
»Ja«, sagt Tom. »Ich bitte dich ja nicht gerne darum, aber könntest du dir meinen Terminkalender vornehmen und die Termine für heute früh verschieben? Ich weiß noch nicht, ob sie den Jungen aufnehmen, und er will nicht, dass wir seine Eltern anrufen …«
»Kein Problem«, sage ich. »Wie lange bist du schon da?«
Tom stößt hörbar die Luft aus. »Ungefähr seit Mitternacht oder so. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie spät es ist. Er hat es zum Glück nur auf sieben Schnäpse oder so gebracht, bevor er umgefallen ist.«
»Ich kann dich ablösen, wenn du willst.« Wenn ein Student in der Notaufnahme liegt, das Krankenhaus ihn aber noch nicht aufgenommen hat, muss ein Vertreter des New York Colleges die ganze Zeit über bei ihm bleiben. Man darf noch nicht einmal nach Hause gehen, um zu duschen, solange einen keiner ablöst. Das New York College lässt seine Studenten nicht in der Notaufnahme allein. Die Studenten allerdings machen sich meistens nicht einmal die Mühe, Bescheid zu sagen, wenn sie sich selber entlassen, deshalb kann es schon mal vorkommen, dass man da sitzt und sich irgendeine spanische Soap im Wartezimmer anschaut, bevor man erfährt, dass das Kind, auf das man aufpassen
soll, gar nicht mehr da ist. »Dann kannst du wenigstens frühstücken.«
»Weißt du was, Heather«, erwidert Tom. »Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich das Angebot gerne annehmen.«
Es macht mir nichts aus, ich habe schon das Taxigeld aus der Portokasse genommen, noch bevor ich den Hörer aufgelegt habe. Die Portokasse ist so ähnlich wie die Bank im Büro. Leider hatte Justine, das Mädchen, das vor mir den Job gemacht hat, den gleichen Eindruck und hat von dem Geld Keramiköfen für ihre Freunde und Familie gekauft.
Wobei ich bis heute nicht weiß, was ein Keramikofen ist.
Ich verschiebe Toms Termine und stürze den Rest meines Café Mocha in einem Zug herunter. Wenn du dünner wärst. Weißt du was, Barista Boy? Mit deinen langen Fingernägeln, die du nicht schneidest, weil du dir keine neuen Zupfplättchen leisten kannst, siehst du aus wie ein Mädchen. Ja, genau. Wie ein Mädchen! Na, wie findest du das, Barista Boy?
Auf dem Weg nach draußen kaufe ich mir schnell noch ein Bagel in der Cafeteria, das ich auf dem Weg ins Krankenhaus essen kann, dann bin ich bereit. Café Mochas sind ja schön und gut, aber sie liefern einem nicht so viel Energie wie ein Bagel. Vor allem ein Bagel mit Cream Cheese (Milchprodukt), auf dem mehrere Schichten Schinken (Protein) liegen.
Ich schlüpfe gerade in meinen Mantel, als ich Magda sehe, meine liebste Kollegin und Chefkassiererin in der Cafeteria. Sie sieht ganz anders aus als sonst.
»Morgen, Magda«, sage ich. »Du glaubst nicht, was Barista Boy heute zu mir gesagt hat.«
Aber Magda, die normalerweise sehr neugierig und außerdem ein großer Fan von Barista Boy ist, wirkt nicht im Geringsten interessiert.
»Heather«, sagt sie, »ich muss dir etwas
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