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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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sie unerwartet eine Erinnerung.
    Es war die Erinnerung an den Augenblick ihrer allerersten Begegnung mit Richard.
    Nahezu alle Schwestern im Palast der Propheten waren im großen Saal angetreten, um sich den neuen Knaben anzusehen, den Schwester Verna mitgebracht hatte. Nicci hatte am Mahagonigeländer gestanden, hatte ein aus ihrem Leibchen heraushängendes Stück Schnürband um den Finger gewickelt, nur um es straff zu ziehen und gleich darauf wieder aufzuwickeln, als sich die schweren Walnussholztüren öffneten. Das dröhnende Gesumm der Unterhaltung, durchsetzt von hellem Gelächter, verebbte zu erwartungsvollem Schweigen, als die Gruppe, angeführt von Schwester Phoebe, vorbei an den weißen Säulen mit den goldenen Kapitellen und unter der gewaltigen Gewölbekuppel in den Saal hereinmarschierte.
    Die Geburt eines mit der Gabe gesegneten Knaben war ein seltenes Ereignis, das – wenn sie aufgespürt und schließlich in den Palast gebracht wurden, um dort zu leben – Anlass zu erwartungsvoller Freude gab. Für jenen Abend hatte man ein großes Bankett angesetzt. Die meisten Schwestern standen in ihren elegantesten Kleidern unten im Parkett und konnten es kaum erwarten, den neuen Knaben kennen zu lernen. Nicci hielt sich nahe der Mitte der unteren Galerie, es war ihr egal, ob sie ihn kennen lernte oder nicht.
    Zu sehen, wie sehr Schwester Verna auf ihrer Reise gealtert war, traf sie beinahe wie ein Schock. Im Allgemeinen währten solche Reisen allerhöchstens ein Jahr, diese, hinter die große Barriere zur Neuen Welt, hatte nahezu deren zwanzig gedauert. Ereignisse jenseits der Barriere waren ungewiss, und so hatte man Verna ganz offensichtlich zu früh auf ihre Mission entsandt.
    Das Leben im Palast der Propheten war ebenso angenehm wie heiter. Niemand im Palast der Propheten schien in der so unbedeutenden Zeitspanne von zwei Jahrzehnten gealtert zu sein, Verna dagegen war außerhalb des Banns, der den Palast umgab, geradezu alt geworden. Eigentlich hätte Verna, die wahrscheinlich fast hundertsechzig Jahre alt war, wenigstens zwanzig Jahre jünger sein müssen als Nicci, jetzt jedoch wirkte sie doppelt so alt wie diese. Natürlich alterten Menschen außerhalb des Palastes ganz normal, aber mit ansehen zu müssen, wie dies einer Schwester widerfuhr…
    Als der donnernde Applaus in dem riesigen Saal anhielt, brachen viele der Schwestern angesichts der Tragweite des Augenblicks in Tränen aus. Nicci gähnte. Schwester Phoebe hob die Hand, bis sich Stille über den Saal senkte.
    »Schwestern«, hob Phoebe mit bebender Stimme an, »bitte heißt Schwester Verna daheim willkommen.« Schließlich musste sie abermals die Hand heben, um den tosenden Beifall zu unterbinden.
    Als es erneut im Saal ruhig geworden war, fuhr sie fort: »Darf ich Euch außerdem unseren jüngsten Schüler vorstellen, unser jüngstes Kind des Schöpfers, unseren jüngsten Schützling.« Einladend einen Arm ausstreckend, drehte sie sich um und forderte den offenkundig schüchternen Knaben mit den Fingern winkend auf, vorzutreten, während sie weitersprach. »Bitte heißt Richard Cypher im Palast der Propheten willkommen.«
    Mehrere Frauen traten einen Schritt zurück, um Platz zu machen, als er entschlossenen Schrittes nach vorne kam. Nicci bekam große Augen und ihr Rücken straffte sich. Das war alles andere als ein junger Knabe, das war ein erwachsener Mann.
    Trotz ihrer unverkennbaren Schockiertheit bereitete die Menge ihm applaudierend und jubelnd ein herzliches Willkommen. Nicci bekam nichts davon mit, seine grauen Augen hatten sie völlig in ihren Bann gezogen. Man stellte ihn einigen in unmittelbarer Nähe stehenden Schwestern vor. Die ihm zugeteilte Novizin, Pasha, wurde ihm vorgeführt und versuchte ihn anzusprechen.
    Richard schob Pasha brüsk zur Seite – ein Platzhirsch, der eine Wühlmaus in die Schranken weist – und trat entschlossen allein in die Saalmitte. Sein ganzes Auftreten drückte die gleiche naturgegebene Überlegenheit aus, die Nicci auch in seinen Augen erblickte.
    »Ich habe etwas zu verkünden.«
    Der riesige Saal verfiel in überraschtes Schweigen.
    Sein Blick schweifte durch den Saal. Nicci stockte der Atem, als er ihr, wie vermutlich auch zahllosen anderen, für einen Moment in die Augen blickte.
    Mit zitternden Fingern klammerte sie sich ans Geländer, um sich festzuhalten.
    In diesem Augenblick schwor Nicci, alles daranzusetzen, um zu einer seiner Lehrerinnen ernannt zu werden.
    Er tippte mit den Fingern gegen

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