Schwester der Finsternis - 11
wetteiferten. Nabbi hatte bei ihm Arbeit gefunden.
Faval, der Köhler, hatte Ishaq gebeten, er möge Richard bitten, ihn zu besuchen und mit ihm und seiner Familie zu Abend zu speisen. Faval hatte einen Karren angeschafft, und seine Söhne lieferten nun Holzkohle aus.
Die Unterarme auf das Geländer am Ende des Piers gestützt, blickte Richard über den Rand hinunter in das strudelnde Wasser, so als versuchte er zu ergründen, was die Zukunft bergen mochte.
Die in den Fluss hineinreichenden Landungsbrücken, der Steg auf ihnen sowie der Vorplatz waren ungefähr alles, was von dem Palast geblieben war. Richard hatte veranlasst, die Bannformen überall auf dem Gelände von den Säulen zu entfernen, und sie von Priska einschmelzen lassen.
Richard hatte weitgehend wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden. Kahlan war stark und ebenso schön wie in seiner Erinnerung, aber sie hatte sich verändert. In dem einen Jahr, das sie getrennt gewesen waren, war sie reifer im Gesicht geworden. Wenn er sie ansah, spürte er das Verlangen nach einem Stück Marmor und Meißeln, um ihr Gesicht in Stein wiedergeben zu können.
Fleisch, in Stein wiedergegeben.
Er wandte sich herum und schaute den Pier entlang zurück zum Vorplatz mit dem dahinter liegenden Halbrund aus Säulen. Die umgestürzte Säule war wieder aufgerichtet worden; den Vorplatz hatte man in ›Platz der Freiheit‹ umbenannt; es war Victors Idee gewesen. Richard hatte ihn gefragt, ob er nicht besser ›Sternplatz der Freiheit‹ hieße, da dieser Begriff eher an einen runden Platz erinnere als der Oberbegriff ›Platz‹. Victor fand, einfach ›Platz der Freiheit‹ klinge besser, und so hatte Richard ihn offiziell getauft. Schließlich war Victor der Erste gewesen, der sich dort zum freien Menschen erklärt hatte.
Kahlan schaute mit ihm zurück zum Vorplatz.
»Was denkst du?«, fragte Richard sie.
Sie schüttelte den Kopf und wirkte höchstens ein wenig so, als wäre ihr unbehaglich zumute. »Ich weiß nicht, Richard. Die Vorstellung, sie … so groß zu sehen, erscheint mir seltsam. Und so … weiß.«
»Gefällt sie dir nicht?«
Sie legte ihm rasch eine Hand auf den Arm, um diesen Eindruck zu zerstreuen. »Nein, das ist es nicht, es ist einfach, dass sie dann so…« – ihr unsicherer Blick richtete sich wieder auf den Pier – »übergroß sein wird.«
In der Mitte des Vorplatzes, wo für kurze Zeit die von Richard erschaffene Statue gestanden hatte, erhob sich jetzt eine hohe Marmorstatue, an der mehrere Bildhauer arbeiteten, die früher auf der Baustelle damit beschäftigt gewesen waren, Elend und Tod in Stein zu schlagen. Kamil war ebenfalls dort unten und erlernte das Handwerk der Bildhauerei von Meistern; begonnen hatte er seine Ausbildung mit einem Besen in der Hand.
Richard hatte die Bildhauer persönlich eingestellt. Mit dem kleinen Vermögen, das er sich verdient hatte, als er dem Orden beim Errichten des Palastes half, konnte er sich das ohne Weiteres leisten. Die Bildhauer waren froh über diese Arbeit – endlich konnten sie für ihren Lohn einen Gegenwert schaffen.
Die Meisterbildhauer arbeiteten an der maßstabgetreuen Vergrößerung jener kleine Statuette mit dem Titel Seele , die Richard für Kahlan in ihrem Heim in den Bergen angefertigt hatte, als sie so dringend den Anblick von Lebendigkeit, Tapferkeit und unbezwingbarem Lebensmut gebraucht hatte. Jetzt entstand sie ein zweites Mal – aus feinstem Cavaturamarmor.
Der Bronzering der Sonnenuhr hatte unbeschädigt überlebt und sollte dem Werk beigefügt werden. Die sich in der Mitte erhebende Statue würde ihren Schatten auf das geschwungene Zifferblatt werfen; die Worte, die so viele an jenem Tag berührt hatten, würden jetzt für alle sichtbar sein.
Kahlan war von der Idee begeistert gewesen, aber sie hatte so viele Monate mit der Schnitzerei, die Richard angefertigt hatte, zugebracht, dass es für sie verwirrend war, sie in dieser monumentalen Größe vor sich zu sehen. Sie konnte kaum den Tag erwarten, da die Bildhauer mit der maßstabgetreuen Vergrößerung fertig sein und sie ihre Seele zurückbekommen würde.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, sie mit aller Welt zu teilen«, sagte er.
Kahlan lächelte versonnen. »Aber nein, überhaupt nicht.«
»Alle sind ganz begeistert von ihr«, versicherte er ihr.
Ihr wundervolles fröhliches Lachen wurde von der warmen nachmittäglichen Luft davongetragen. »Nur werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen, mich mit Leib
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