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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten
Autoren: Marcel Feige
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Toilette und drückte die Spülung. Sofort ließ der scharfe Gestank nach. Jetzt musste er nur noch das stinkende Kleidungsstück loswerden. Er streifte sich den Pullover über den Kopf und warf ihn vors Bett. Als er sich zurück auf die Matratze setzte, fragte Carlos: »Und, weswegen sitzt du?«
    »Keine Ahnung.«
    »Keine Ahnung?«
    »Ich bin unschuldig.«
    Carlos wackelte amüsiert mit dem Kopf. »Ja, ja, das sagen sie alle.«
    »Aber ich bin’s wirklich.«
    »Ist klar!« Er trat in die Mitte der Zelle, zog sich Hosen und Hemd aus, hockte sich nur mit Strümpfen bekleidet auf den Boden und begann Liegestützen zu machen. »Eins, zwei, drei, vier«, zählte er mit. »Fünf, sechs, sieben, acht.« Er drückte sich ab, klatschte in die Hände und begann von vorne. »Eins, zwei, drei, vier.« Während seine Arme das Gewicht des nackten Körpers stemmten, wandte er Philip das Gesicht zu. Auf seiner Stirn sammelte sich der Schweiß. »Ist fast wie ficken.« Eine Schweißperle blieb an dem Stachel seiner Tätowierung hängen. Erneut klatschte er in die Hände. Und wieder von vorne. »Eins, zwei, drei, vier. Hast du ‘ne Freundin?«
    Ganz sicher hatte man ihm die Tinte mit der Nadel zu tief in seinen Schädel und das Hirn gebohrt. Nur so ließ sich sein Verhalten erklären. Philip brummelte.
    »Was denn nun? Ja oder nein?«
    »Schon.«
    »Schon? Klingt nicht sehr überzeugt.«
    »Naja.« Wahrscheinlich gab Carlos anderenfalls nie Ruhe. »Doch.«
    »Aber seit… drei, vier… die Bullen dich… fünf, sechs… gepackt haben… sieben, acht… findet sie… neun, zehn… dich gar nicht… elf, zwölf… mehr so toll.«
    »Nein«, erwiderte Philip ohne Zögern. »Ich habe Scheiße gebaut.«
    Carlos hielt in der Bewegung inne. Sein Atem ging stoßweise. »Also doch schuldig.«
    Philip seufzte. »Nein, nicht so.«
    »Aber du hast Scheiße gebaut?«
    »Ja.«
    Carlos richtete sich auf. Er blieb vor Philip stehen und präsentierte seinen Schwanz. Die Vorhaut war ebenfalls tätowiert. Wenig überraschend, dass es zwei große Brüste waren, soweit bei dem dünnen Glied von »groß« die Rede sein konnte. »Haben wir das nicht alle?«
    Verwirrt löste Philip seinen Blick von dem Geschlecht. »Was?«
    »Scheiße gebaut!« Carlos griente. »Bist du abgelenkt?«
    Philip fragte sich, ob es Zufall war, dass er zu diesem Spinner in die Zelle gesteckt worden war, oder ob Berger das angeordnet hatte, um ihn zu zermürben.
    »Aber weißt du, das ist noch lange kein Grund, uns von den Mädels mit Missachtung strafen zu lassen.« Carlos schnalzte mit der Zunge. »Ich hab zwei Mädels. Freu mich schon drauf, wenn ich wieder draußen bin. Zwei süße Fotzen. Denen macht es nichts aus, wenn ich mal ein krummes Ding drehe.«
    »Na dann«, sagte Philip.
    »Du bist ein komischer Kauz«, befand Carlos.
    Na danke, das sagt der Richtige.
    »Aber sympathisch«, fuhr er fort. Er hob die Hand zum Surfergruß. »Bruder!«
    Philip überlegte, ob er ihm sagten sollte, dass er nicht viel Wert darauf legte, zu seiner Familie zu gehören. Erleichtert vernahm er den Schließmechanismus der Tür. Rotschopf lächelte schief, als er Carlos nackt in der Zelle stehen sah. Carlos fragte: »Und? Komm ich endlich raus?«
    »Papperlapapp«, meinte der Beamte und wandte sich Philip zu. »Philip Hader?« Zwischen seinen Fingern rasselte das Eisen: »Kommen Sie, Sie haben Besuch!«
    Philip sprang vom Bett. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass jemand an ihn dachte.
     
     
    Lindisfarne
     
    Nicht viel später, in warme, trockene Kleidung gehüllt, war Beatrice davon überzeugt, dass sie den selbst gebackenen Kirschkuchen ihrer Tante schon immer gerne gegessen hatte: Er zerging ihr förmlich auf der Zunge. Da sie seit ihrer Abreise in London nicht viel zu sich genommen hatte, waren bereits drei große Stücke in ihrem Magen verschwunden. Angela gefiel dieser ungezügelte Appetit, und sie ließ sich dazu hinreißen, sogar Buck, dem Bobtail, eine kleine Portion von dem Obstgebäck zuzustecken. Er dankte es mit einem zufriedenen Schmatzen.
    »Aber nicht, dass das zur Gewohnheit wird«, tadelte sie sich selbst.
    Unbeeindruckt leckte der Rüde seine Lefzen. Erzähl du nur, schien er sagen zu wollen. Er war sich seiner Sache für das nächste Mal ziemlich sicher. Und tatsächlich brach Angela kurz darauf eine weitere Kuchenecke ab und warf sie Buck entgegen. Zielsicher schnappte er danach.
    Erheitert verfolgte Beatrice die Szene. Aus dem Umgang der beiden sprach ein
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