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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten
Autoren: Marcel Feige
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früher oft getan hatte, mit Buck zu ihren Füßen. Der Hund hatte den Kopf auf seine Vorderpfoten gelegt und schlief langsam ein. Alles war entspannt, wie immer, war sie fast geneigt zu sagen. Perfekt. Sie fühlte sich pudel-, nein, bobtailwohl, und sie befand, dass der zurückliegende Tag ein guter Anfang war auf dem Weg zurück in ihre Vergangenheit.
    »Was geht dir durch den Kopf?«, wollte Angela wissen.
    »Durch meinen haarlosen Kopf?«, ulkte Beatrice.
    Ihre Tante schmunzelte.
    Beatrice überlegte. Bevor sie sich im Wohnzimmer vor dem Kamin niedergelassen hatten, hatten sie ihr ehemaliges Zimmer angeguckt. Es war klein, maß vielleicht vier Meter im Quadrat und bot Platz für ein Bett und einen Kleiderschrank. Zusätzlich war die Bewegungsfreiheit durch die Dachschräge eingeschränkt. Trotzdem war sich Beatrice nicht beengt vorgekommen. Ich muss über einen guten Geschmack verfügt haben, hatte sie gedacht. Die Tapete war in einem sanften Rot-Ton gestrichen. Auf dem Fensterbrett warteten Puppen auf die Rückkehr in ihre Stube. Die Bilder an der Wand zeigten Beatrice als Kind: mit ihrer Tante auf dem Weg durch das Gezeitenwasser. Im Badeanzug am Strand. Im Garten mit einem tapsigen Hundewelpen. Buck. Der Raum wirkte nicht wie arrangiert; das Mädchen, das hier lebte, hatte das Zimmer erst vor wenigen Minuten verlassen. Vielleicht, um mit dem Hund am Strand zu tollen. Ein Ort zum Wohlfühlen.
    »Warum habe ich dieses wunderbare Zuhause verlassen? Was wollte ich in London?«
    »Es war dein Studium«, antwortete ihre Tante.
    »Mein Studium?« In Beatrice Ohren klang es wie ein Wort aus einer fremden Sprache. Was habe ich studiert! Sie ließ den Kopf sinken und entdeckte einige Krümel des Kirschkuchens auf ihrem Pullover, doch sie wischte sie nicht fort. Zum Abendbrot hatten sie erneut vom Kuchen genascht. Der Kuchen hatte wunderbar geschmeckt, und die Krümel würden sie noch eine Weile an den süßen Geschmack erinnern.
    Ein schönes Gefühl, Erinnerungen zu haben. »Komisch«, meinte sie, »aber London ist mir fremd. Und das, was ich dort erlebt habe, seit ich… seit ich erwacht bin, macht die Stadt nicht gerade sympathischer für mich.«
    »Manchmal macht man Dinge, weil man glaubt, sie machen zu müssen«, sagte ihre Tante. Das Kaminfeuer prasselte und warf zuckende Schatten in den Raum. Das Zimmer war wie jedes in dem Haus nicht eben geräumig, und die Bücherregale, die an einer Wand bis zur Decke reichten, ließen es noch kleiner wirken. Aber auch behaglicher. »Und dann geschehen Dinge, die einem die Augen öffnen. Manchmal ist das Leben so.«
    Beatrice sah sie verunsichert an. »Willst du damit sagen, nichts geschieht ohne Grund?«
    Ihre Tante nickte nachdenklich. »Vermutlich«, antwortete sie. Sie stand erneut auf, schlüpfte mit ihren Füßen in gewaltige, aber kuschelig weiche Puschen und schlurfte in die Küche. »Möchtest du noch etwas Kirschkuchen?«, rief sie. Buck spitzte die Ohren.
    Beatrice hielt sich prüfend den Bauch. »Danke dir, nein. Ich platze gleich.« Sie war mehr als satt. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass ihrer Tante der Gesprächsverlauf unangenehm war.
    Wahrscheinlich täuschte sie sich. Auf der Suche nach sich selbst klopfte sie jedes Wort, das sie hörte, nach tieferen Bedeutungen ab. Sie würde sich wieder daran gewöhnen müssen, dass Menschen oft nur so daherredeten, um überhaupt etwas zu sagen. So wie sie Dinge manchmal einfach machten, weil sie glaubten, sie machen zu müssen.
    »Einen Tee?«, hörte sie Angela.
    »Gerne.«
    Kurz darauf kehrte ihre Tante mit zwei dampfend heißen Tassen zurück. Eine stellte sie auf das Beistelltischchen neben Beatrice. »Pfefferminztee, den hast du immer am liebsten gemocht.«
    Beatrice führte die Tasse an ihre Lippen, stellte sie aber zurück, als sie merkte, dass der Tee noch zu heiß war.
    Angela beobachtete sie.
    »Wir müssen miteinander reden«, sagte sie nach einer Weile. Sie sagte es mit einer tonlosen Stimme, die alles Wohlgefühl weichen ließ.
     
     
    Rom
     
    Eine kleine Hand berührte Cato zaghaft an der Schulter, und er erwachte. Blinzelnd hob er die Augenlider und entdeckte das blasse Gesicht eines kleinen Jungen, der mit seiner Mutter seit dem Zwischenstopp in London-Heathrow neben ihm saß.
    »Na, junger Mann«, sagte Cato. Seine Zunge suchte das Kaugummi, aber offensichtlich hatte er es im Schlaf verschluckt. »Was kann ich für dich tun?«
    »Frierst du nicht in deinem Kleid?«, fragte der Junge.
    Seine
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