Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
Vom Netzwerk:
jahrelanges vertrautes Miteinander. Fast war sie ein wenig neidisch darauf, aber das war Unsinn. Sie hatte keinen Grund dazu, eifersüchtig zu sein. Ganz sicher hatte auch sie ein inniges Verhältnis zu Buck gehabt. Sie würde es herausfinden.
    Nun, da sie den Weg auf die Insel gefunden hatte, zurück in das Haus ihrer Kindheit, gesättigt durch einen wunderbaren Kuchen, gestärkt und beinahe trunken vor Hoffnung, war sie voller Tatendrang. Sie wollte so vieles unternehmen, alles erkunden, sich erinnern, möglichst heute noch.
    Angela spürte ihren Eifer, schließlich war Beatrice in ihrer Obhut aufgewachsen. Wenn einer sie kannte, dann wohl ihre Tante.
    »Nicht alles auf einmal«, sagte sie mit Sorgenfalten auf der Stirn. »Du solltest dich schonen.«
    »Du klingst wie Paul«, gab Beatrice zurück. Die Erwähnung des Namens löste kein Gefühl in ihr aus. Noch nicht einmal Ärger. Und für einen Moment erschrak sie über diese Gleichgültigkeit.
    »Zeig mir die Insel«, bat Beatrice.
    Angela überlegte kurz. »Es regnet draußen.«
    »Das macht mir nichts.«
    »Es stürmt.«
    »Ist mir egal.«
    »Du lässt dich nicht davon abbringen, oder?«
    »Nein«, strahlte Beatrice.
    Sie streiften sich Regemäntel und Gummistiefel über, während Buck zwischen ihnen umhertobte, erfreut darüber, dass es erneut nach draußen ging. Der Regen hatte inzwischen zugelegt, aber das war egal, die Kleidung bot ausreichend Schutz.
    Sie besuchten die Lindisfarne Priory, das ehemalige keltische Mönchskloster, auf dessen Überresten 1540 Lindisfarne Castle errichtet worden war. Sie stiegen die Stufen zur Burg hinauf, doch der Ausblick reichte gerade einmal bis nach Lindisfarne, dem Dorf, das der Insel ihren Namen gab.
    Angela zeigte ihr die Gärten des Schlosses, gestaltet von Gertrude Jekyll, der einflussreichsten Landschaftsarchitektin des frühen 20. Jahrhunderts. Trotz der Wintermonate standen die breiten Rabatten in farbenfroher Blüte, fast ein Wunderwerk, fand Beatrice. Und noch was fiel ihr auf: »Sie ist dein Vorbild, oder?«, fragte sie ihre Tante.
    »Ja«, sagte sie. »Ich mag die Art, wie Jekyll ihre Gärten angelegt hat.«
    »Was nicht zu übersehen ist, wenn man deinen Garten betritt.«
    »Ist das jetzt ein Lob?« Angela war skeptisch.
    Beatrice lachte. »Natürlich. Dein Garten ist genauso prächtig.« Die Blumenbeete im Garten ihrer Tante strahlten Wärme aus. Und Zuversicht darauf, dass die dunkle Jahreszeit weichen und der Frühling kommen würde. Irgendwann würde die Sonne wieder scheinen.
    Auf den Wiesen rings ums Schloss graste eine Herde Schafe. Beatrice musste an das Ereignis im Bus denken. Sie erzählte ihrer Tante davon, und gemeinsam amüsierten sie sich. Als die Dämmerung einsetzte, kehrten sie zurück zum Cottage. Als das Gebäude zwischen den Bäumen am Wegesrand auftauchte, überkam Beatrice trotz des Regens, der auf ihre Mütze prasselte, ein behagliches Gefühl. Ja, dachte sie, hier bin ich zu Hause.
     
     
    Als sie später am Abend zusammen saßen, sagte Angela: »Buck hat dich vermisst.«
    »Ach?«, machte Beatrice und beobachtete das Energiebündel, das sich zu ihren Füßen über einen Ochsenziemer hermachte. Seit ihrer Ankunft wich der Rüde nicht mehr von ihrer Seite.
    »Er war schon immer der Ansicht, du gehörst nicht nach London.«
    »War er das?«
    »Ja«, sagte Angela. »Oder nicht, Buck?«
    Der Bobtail ließ von seinem Kauknochen ab und bellte, als habe er ganz genau verstanden, worum es ging.
    Beatrice streichelte dem Hund das Fell. Er rollte sich auf den Rücken, streckte die Pfoten in die Höhe und genoss das Verwöhnprogramm.
    »Du hattest schon immer einen besonderen Draht zu den Tieren«, erzählte Angela. »Während andere Kinder noch nicht sicher waren, ob sie sich dem Hund oder der Katze nähern durften, hattest du schon deine Hände in ihr Fell vergraben und warst ihr bester Freund.« Sie erhob sich aus ihrem Sessel. »Ich habe nie einen Menschen erlebt, der schneller das Vertrauen der Tiere gewann als du.«
    Mit der schmiedeeisernen Zange legte sie ein neues Holzscheit in den Kamin. Flammen stoben knisternd empor und tauchten den Raum in ein goldgelbes Licht. Draußen trieb der Wind den Regen gegen die Fensterscheiben, doch hier drinnen war es warm und gemütlich, ganz wie der Anblick des Cottage von außen versprochen hatte.
    Sie genoss es, auf der Couch zu sitzen, eingemummelt in eine Wolldecke, und den Worten ihrer Tante zu lauschen.
    Ihr gefiel der Gedanke, dass sie dies schon

Weitere Kostenlose Bücher