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Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation

Titel: Schwester! • Mein Leben mit der Intensivstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Grunwald
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soll ich denn jetzt sagen? Natürlich war das gestern schon klar. Aber die Tochter hat ihre Mutter erst gestern zum ersten Mal gesehen, und wenn der Chef von «Hoffnung» spricht – wer weiß, vielleicht hätte ich ihm auch glauben wollen. Herr Rose nimmt seine Jacke. «Ich muss mal an die frische Luft. Kann ich nachher nochmal wiederkommen?»
    «Sie können jederzeit wiederkommen», versichere ich ihm. «Erst mal vielen Dank für alles», sagt die Tochter. Dann legt sie den Arm um die Schultern ihres Vaters, und sie verlassen langsam die Station.
    Wie muss das auf Herrn Rose und seine Tochter nur gewirkt haben? Am Vortag ist der Chef noch zuversichtlich, und noch nicht mal 24 Stunden später macht man den beiden die absolute Aussichtslosigkeit klar. Als ich gerade meine Siebensachen für die Mundpflege bei Frau Rose zusammengekramt habe, kommt der Chef auf die Station. Draußen wird es schon dunkel, was die trübe Stimmung verstärkt. Mitten in der hektischen Betriebsamkeit des Pflegepersonals und der Ärzte wünscht er einen kurzen informativen Gang über die Station. Zähneknirschend hastet Frau Anzug mit dem Chef durch die Zimmer; zu Frau Rose kommen sie zuletzt. Der Chef guckt auf das Kurvenblatt, nickt bedächtig und sagt: «Tja, schade, das haben wir uns alle nicht so vorgestellt.»
    Als er geht, wünscht er uns allen «noch einen schönen Nachmittag». Es ist 19 Uhr 15.
    Frau Rose stirbt im Beisein ihres Mannes und der Tochter am nächsten Morgen.
     
    Es spielt keine Rolle, ob man Privatpatientin ist oder nicht – wenn man so krank ist wie Frau Rose, braucht man nicht nur eine gute intensivmedizinische und -pflegerische Versorgung, sondern auch einfach Glück. Und ein Chefarzt ist nicht «das Glück».
    Den Grund dafür, warum so viele Menschen auf einer Chefarztbehandlung insistieren, kann ich nur vermuten: Sie glauben, dass der Chef grundsätzlich immer und überall alles kann. Wenn der Chef von der Sanitärfirma persönlich kommt, dann ist garantiert nie wieder das Klo verstopft, und wenn sie sich beim Chef der Käseabteilung beschweren, weil ihnen die Auszubildende einen alten Harzer untergejubelt hat, hoffen sie, dass der Käse-Chef die Auszubildende rauswirft, damit sie nie wieder einen alten Harzer auspacken müssen. Und so glauben sie folgerichtig: Wenn der Chefarzt sie operiert, geht alles ohne Komplikationen vonstatten, denn der Chef verkauft es den Patienten auch so. «Das wird schon wieder, Ihr Mann wird nach der Operation wieder ganz der Alte sein», ist so ein beliebter Reklamespruch, obwohl der Chef genau weiß, dass niemand nach einer riesigen Herzoperation und einem zwei- bis dreitägigen Aufenthalt auf einer Intensivstation «ganz der Alte» ist.
    Die Aufgabe des Chefarztes ist weder der Gockel-Auftritt mit Sascha-Hehn-Grinsen noch der empörte Rundumschlag gegen diejenigen, die Tag und Nacht die Patienten versorgt haben. Chefs sollen sich einen Überblick verschaffen, ihren Teams den Rücken stärken, die Leute gut ausbilden, sie im Zwiegespräch dort kritisieren und loben, wo es angebracht ist, und nach Möglichkeit nicht allzu viel Geld aus dem Fenster schmeißen. Dass dies nicht der Realität entspricht, ist eines der Lehrstücke, welches gratis allen in der Klinik Beschäftigten geboten wird, und der Krankenhausbetrieb ist mit Sicherheit nicht die einzige Causa, bei der Theorie und Praxis Lichtjahre voneinander entfernt sind.
    Ich selber habe einmal kurz darüber nachgedacht, eine Zusatzversicherung abzuschließen, allein schon wegen des Einzelzimmers, in dem ich bei geöffnetem Fenster schlafen und in Ruhe lesen könnte, ohne dass sich jemand beschwert. Der eigentliche Grund ist aber ein ganz anderer: Wenn ich die Chefarztbehandlung ablehne, bekomme ich mein Geld zurück. Und ich würde gerne einmal zu einem Chef sagen: «Nee, Sie nicht.»

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Traumjob Pflege?
    «Also, ich wollte immer schon Krankenschwester werden», sagt der Giftzwerg. Schon als Schulkind sei ihr das klar gewesen. Und der Giftzwerg macht diesen Job auch nach mehreren Jahren noch mit Verve – unermüdlich und mit einer scheinbar unerschöpflichen Geduld versorgt sie ihre Patienten, und während vieler meiner Dienste, in denen ich dachte: «Herrje, das muss ich auch noch fertig machen!», erschien der Giftzwerg wie ein Dschinn aus der Flasche und half mir. Es gibt viele hilfsbereite Kollegen, und ich würde mich auch dazu zählen. Aber dieses «Flaschengeist-Phänomen» vollbringt

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