Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
allein zu lassen. Es war nicht gut, wenn Erin viel Zeit unter Lebenden verbrachte. Noch nicht. Die Versuchung, von ihnen zu trinken, war zu machtvoll. In Neulingen brannte der Durst gewaltig.
Erin winkte meinen Schwestern zu, und sie erwiderten die Geste im Gehen. Camille wirkte verletzt. Erin war ihre Freundin gewesen, und Dredge hatte sie als Druckmittel benutzt, als er hergekommen war, um mich zu bestrafen. Kollateralschaden. Unsere Feinde hatten bisher zwei von Camilles besten Freunden getötet.
»Wir warten in der Küche«, sagte Delilah, ehe sie in den Flur schlüpfte.
Ich bedeutete Erin, sich neben mich zu setzen. »Was ist los? Warum bist du hier?« Vampire hielten sich üblicherweise nicht mit Smalltalk auf. Das waren nur vergeudete Worte.
»Ich mache mir Sorgen um Sassy.« Erin sah mich an, und ihre hellbraunen Augen verblassten schon wie in Nebel. Sie nahmen eine graue Färbung an, was bei den meisten Vampiren im Lauf der Zeit passierte. Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und rieb sich mit zwei Fingern die Stirn. »Meisterin, Sassy ist … mit ihr stimmt etwas nicht.«
»Was stimmt nicht mit ihr? Kannst du mir das näher erklären?« Ich hatte das scheußliche Gefühl, die Antwort schon zu kennen, aber ich hoffte, dass ich mich irrte.
»Letzte Nacht war jemand bei ihr. Ich weiß nicht, wer, aber es war ein anderer Vampir. Er hat …« Sie hielt inne, schluckte, und Angst verdüsterte ihre Miene. »Ich will Sassy nicht in Schwierigkeiten bringen. Sie hat so viel für mich getan.« Als ein klarer, bewusster Ausdruck in ihre Augen trat, erkannte ich, dass Erin tatsächlich reifer wurde und dazulernte.
»Sag es mir. Ich weiß, dass du Angst hast, aber mir kannst du alles sagen.« Ich hob die Hand und streichelte sacht ihre Wange. Ich hatte mir geschworen, niemals einen anderen Vampir zu erwecken, doch hier saß sie, auf ewig meine Tochter, bis eine von uns in die Sonne ging. Wie hätte es mir gleichgültig sein können, was mit ihr geschah? Außerdem würde ihr Verhalten auf mich zurückfallen.
Erin erschauerte bei meiner Berührung und legte ihre Hand auf meine. »Ich weiß. Deshalb bin ich ja zu dir gekommen. Gestern Nacht hatte sie Besuch – ein Vampir, aber ich kenne seinen Namen nicht. Er hat ein Mädchen mitgebracht. Sassy hat mir befohlen, in mein Zimmer zu gehen und dort zu bleiben, weil sie jetzt zu tun habe. Ich war wütend. Kurz zuvor hatten wir uns gestritten. Ich wollte meine Jeans anziehen, aber sie hat von mir verlangt, irgendwelche Designerklamotten zu tragen … Jedenfalls sind sie und dieser Kerl mit dem Mädchen verschwunden, und ich habe so getan, als würde ich in mein Zimmer gehen. Ich weiß, dass ich ihr gehorchen soll, aber irgendetwas fühlte sich gar nicht gut an.«
Mein Magen sackte in Richtung Kniekehlen, denn ich ahnte schon, wie das ausgehen musste. »Was ist dann passiert?«
»Ich bin ihnen gefolgt. Sie haben das Mädchen runter in Sassys Versteck gebracht. Ich konnte sie beobachten, ohne gesehen zu werden. Sie sind über sie hergefallen, Menolly. Ich wollte so gern zu ihnen gehen und trinken, aber ich habe mich gezwungen, an das zu denken, was du mich über Ehre gelehrt hast, und welcher Weg der richtige ist. Und ich glaube, die junge Frau wollte das nicht. Sie … haben sich auf sie gestürzt, und …« Sie erbleichte – sofern das bei einem Vampir möglich war – und senkte den Kopf. Sie sah aus, als sei ihr schlecht. »Es war schlimm. Wirklich übel. Ich habe Sassy noch nie so grausam erlebt.«
»Was hat sie getan?« Ich wollte es nicht wissen, doch das half nichts.
»Sie hat sie geleckt, es ihr mit der Zunge besorgt, und dann von ihr getrunken. Da unten. Die Frau hat angefangen zu schreien, aber dann ist sie in Trance gefallen. Als Sassy fertig war, hat der männliche Vampir sie sich vorgenommen. Keinem von beiden ging es nur um Nahrung. Und dann … haben sie sie ausgesaugt. Ich bin sicher, dass sie tot ist«, flüsterte Erin, und blutige Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. »Es war widerlich. Ich bin in mein Zimmer gelaufen und habe den Mund gehalten. Am liebsten wäre ich sofort hergekommen, aber wenn sie gemerkt hätten, dass ich verschwunden bin, hätten sie mich gejagt. Heute Nacht ist Sassy auf einer Party, sie hat mich zu Hause gelassen, also habe ich mich rausgeschlichen.«
Ich starrte meine Tochter an. Was zum Teufel hatte ich mir dabei gedacht, sie der Fürsorge einer Person zu überlassen, die ich gar nicht richtig kannte? Was hatte ich
Weitere Kostenlose Bücher