Schwur der Sünderin
würde merken, dass er nicht der leibliche Vater ist.«
Anna Maria wurde nachdenklich. Als sie die Blicke der Frauen spürte, fragte sie: »Und wie taugt mein Bruder als Ehemann?«
»Auch gut«, flüsterte Annabelle und wurde puterrot, sodass alle lachten.
Es war ein lauer Sommertag, als Veit und Anna Maria von dem Pastor, den Jakob aus einem der umliegenden Dörfer mit einigen Münzen auf Johanns Hof gelockt hatte, unter dem Apfelbaum getraut wurden.
Nach zwei Tagen fuhr Anna Marias Familie zurück nach Mehlbach, und wieder flossen Tränen.
»Wir werden uns bald wiedersehen«, versprachen sie sich gegenseitig und fuhren von dannen.
Das Korn war geschnitten, und der Wind blies über die kahlen Felder. Anna Maria war mit Gerhild im Gemüsegarten, um Unkraut zu zupfen, als sie ein Ziehen im Bauch spürte, das ihr den Atem raubte. Beschwerlich setzte sich Anna Maria auf den Boden, als eine erneute Wehe sie zu zerreißen drohte. Hechelnd versuchte sie, den Schmerz zu verdrängen.
Erst jetzt bemerkte Gerhild, dass Anna Maria auf dem Boden kauerte. »Ach herrje«, rief sie und versuchte Anna Maria aufzuhelfen, was aber misslang.
»Ich werde die Männer rufen«, sagte sie und rannte aus dem Garten über den Hof zur Koppel.
Nachdem die Männer die unter Schmerzen wimmernde
Anna Maria in ihr Bett gelegt hatten, wurden sie aus der Kammer verbannt.
Veit wollte widersprechen, doch Gerhild schubste ihn zur Tür hinaus und fauchte: »Verschwindet alle. Ihr habt hier nichts zu suchen.«
Veit konnte nicht einen Augenblick ruhig sitzen. Jedes Mal, wenn er Anna Maria schreien hörte, sprang er auf und humpelte in der Küche auf und ab.
Der Abend dämmerte bereits, und das Kind war immer noch nicht auf der Welt. »Warum dauert es so lang?«, stöhnte Veit und blickte zu Johann, der Lydia auf dem Schoß hielt, die brabbelnd an einem Stück Brot kaute, während ihre Schwester durch das Zimmer kroch.
»Du musst ruhig bleiben, Veit. Es dauert so lang, wie es dauert«, sagte Johann und lachte, da Franziska sich an seinem Bein hochzog. Plötzlich war ein langgezogener Schrei zu hören – und kurz darauf das Geschrei eines neugeborenen Kindes.
Johann stand auf und umarmte seinen Bruder. »Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber!«
Veit stand regungslos da.
»Willst du nicht nach deinem Kind schauen?«, fragte Johann. Veit schien aus seiner Starre zu erwachen und ging langsam die Treppe nach oben.
Als er die Tür zu seiner Kammer öffnen wollte, kam Gerhild ihm zuvor. »Wo bleibst du?«, fragte sie und zog ihn ins Zimmer.
Veit blickte scheu zu Anna Maria, die ihn erschöpft und glücklich anlächelte.
»Geht es dir gut?«, flüsterte er.
Anna Maria nickte unter Tränen.
Erschrocken sah er Gerhild an, die das Kind in den Armen hielt.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er bang, da er spürte, dass etwas nicht zu stimmen schien. Gerhild hielt ihm das Kind, das in Decken gehüllt war, entgegen.
»Hier ist dein Sohn«, flüsterte Anna Maria.
Veit blickte vorsichtig auf das Kind, das er im Arm hielt, und er glaubte, sein Herz würde zerspringen. Mit großen Augen, die so blau waren wie der Himmel, blickte sein Sohn ihn an.
Nachwort
Die tragische Geschichte zweier Brüder, die sich im Jahr 2006 ereignet hat, inspirierte mich zu meinem Roman Die Gabe der Jungfrau . Um meine Fantasie mit historischen Ereignissen und dieser Geschichte (siehe Prolog) verweben zu können, nutzte ich die Geschehnisse des Deutschen Bauernkrieges.
Schon kurz nach dem Erscheinen von Die Gabe der Jungfrau wurde der Wunsch der Leserschaft laut, dass es eine Fortsetzung geben sollte. Die Doppelrolle des Daniel Hofmeister, der auch die historische Figur des Joß Fritz verkörpert, hatte sie ebenso begeistert wie die des Wolfsbanners.
Als ich mir über einen zweiten Teil Gedanken machte, war für mich sofort klar, dass er in derselben Nacht beginnen sollte, in der Die Gabe der Jungfrau endete. Leider wusste ich bei dieser Überlegung noch nicht, dass der Bauernaufstand nach der Schlacht bei Frankenhausen so gut wie niedergeschlagen war und die Bauern sich nur noch vereinzelt gegen ihr Schicksal auflehnten. Da ich über diese Zeit in den Geschichts- und Fachbüchern nur spärliche Informationen finden konnte, bat ich den bekannten Historiker Dr. phil. habil. Johannes Dillinger (Oxford) um Rat. Dank seiner Hilfe konnte ich erneut historische Fakten mit meiner Fantasie vermischen, sodass eine glaubwürdige Geschichte entstanden ist.
Dazu, Sie,
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