Schwur der Sünderin
Liebe verlangte. Doch sie hatte eine innere Sperre. Alles wäre zu ertragen, wenn ich nicht schwanger geworden wäre, dachte sie verzweifelt.
Kurze Zeit nach ihrer Ankunft auf Johanns Hof spürte Anna Maria erstmals Bewegung in ihrem Leib. Zuerst glaubte sie, dass sie es sich einbildete, denn so stark hatte sie die Kindsbewegungen nie zuvor wahrgenommen. Doch da waren sie erneut. Das Kind trat ihr gegen den Bauch, und dieses Mal konnte Anna Maria es nicht verleugnen. Sie hatte die Augen geschlossen und hörte in sich hinein. Als ob es mir sagen wolle: Du kannst dich noch so sehr wehren, ich bin da, dachte sie und wusste nicht, ob sie sich freuen sollte.
Als Veit eines Nachmittags auf der Bank unter dem Apfelbaum saß und über die Koppel blickte, die in einem Waldstück mündete, sah er Gerhild mit den Zwillingen auf sich zukommen. Sie legte ihm ein Mädchen in den Arm, während sie das andere behielt und sich zu ihm setzte.
»Wen hast du mir gegeben?«, fragte Veit lachend. »Ich werde die beiden in hundert Jahren nicht auseinanderhalten können.«
»Du hältst Lydia«, sagte Gerhild. »Benannt nach meiner Mutter. Ich habe Franziska auf dem Arm. Benannt nach dem großen Franz von Sickingen, da sie als Erste das Licht der Welt erblickte. Zum Glück sind es keine Jungs geworden, die Armen hätten ein schweres Erbe antreten müssen«, lachte sie und fragte: »Ihr erwartet ebenfalls Nachwuchs?«
Veit blickte nicht auf, als er nickte.
»Du und Anna Maria scheinen darüber nicht glücklich zu sein«, stellte sie fest.
Veit seufzte. Und nachdem Gerhild versprochen hatte, das Geheimnis zu wahren, erzählte er ihr die Wahrheit. Er war froh, sich alles von der Seele reden zu können.
Nachdem er geendet hatte, flüsterte Gerhild: »Die arme Anna Maria.«
»Sie will das Kind nicht behalten, deshalb weiß niemand in Mehlbach von ihrer Schwangerschaft.«
Gerhild betrachtete liebevoll ihre Kinder. »Ich kann verstehen, wenn sie so handeln würde.«
Veit blickte seine Schwägerin bestürzt an. »Ich liebe Anna Maria auch mit dem Kind eines anderen, denn das Kind ist ebenso ein Teil von ihr«, sagte er und fügte leise hinzu: »Und manchmal hoffe ich, dass es auch ein Teil von mir ist.«
Gerhild blickte ihn erstaunt an. »Wie kann das sein?«, fragte sie, und Veit beichtete ihr die vorgezogene Hochzeitsnacht.
Nachdenklich schaute Gerhild Veit an und fragte ihn: »Warum heiratest du Anna Maria nicht?«
Veit zuckte mit der Schulter. »Nach all dem, was passiert ist, fürchte ich mich, sie zu fragen.«
»Ach, Veit«, lachte Gerhild, »warum seid ihr Männer so umständlich? Frag Anna Maria! Sie wird dir ihr Jawort geben, und
dann laden wir ihre Familie ein und veranstalten ein großes Fest.«
Anna Marias Augen wurden groß. »Du willst mich trotz des Kindes heiraten?«
»Liebes«, sagte Veit und strich ihr zaghaft über die Wange. »Ich liebe dich. Deshalb will ich dich heiraten.«
Als Anna Maria erneut etwas erwidern wollte, verschloss er ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss, den sie dieses Mal ebenso heftig erwiderte.
Zwei Wochen später fand auf Johanns Hof die Trauung statt.
Joß Fritz, der sich wieder Daniel Hofmeister nannte, seine Frau Else, Anna Marias jüngerer Bruder Nikolaus, die beiden älteren Brüder und ihre Frauen waren aus Mehlbach angereist. Auch Hauser, sein Sohn Florian, Lena und sogar Fleischhauer kamen. »Ich muss sehen, welche Fortschritte der Kranke gemacht hat«, sagte er verschmitzt lächelnd, als Anna Maria ihn voller Erstaunen zwischen ihren Familienangehörigen entdeckte.
Es fiel Anna Maria nicht leicht, auf ihren Vater zuzugehen, der wie all die anderen ihren Bauch musterte und trotz der sichtbaren Rundung kein Wort darüber verlor. Lächelnd schloss er sie väterlich in die Arme. »Mein tapferes Mädchen!«, flüsterte er an ihr Ohr und küsste ihre Schläfe.
Lena hatte Anna Marias schwarzes Brautkleid mitgebracht, das über Brust und Bauch spannte. »So kannst du unmöglich heiraten«, seufzte Lena und öffnete die Schnüre im Rückenteil, da Anna Maria nach Luft japste.
»Zum Glück habe ich Stoff mitgebracht, den wir an den Seiten einarbeiten können«, erklärte Else und suchte nach Nadel und Faden.
Anna Maria verzog ihr Gesicht, sodass Annabelle laut lachte.
»Dir scheint es gutzugehen«, stellte Anna Maria fest und blickte ihre Schwägerin fragend an.
Annabelle nickte eifrig. »Du hattest Recht gehabt, Anna Maria. Peter ist ein wunderbarer Vater. Niemand
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