Science Fiction Almanach 1981
muß krank sein.“
„Ach, ich weiß nicht“, sagte Taggard leichthin. „Wenn das Sicherheitsrisiko nicht wäre, hätte ich nichts dagegen, mit einem von ihnen selbst ein Wochenende zu verbringen.“
Burrows starrte ihn mit vor Verachtung kalten Augen an. Dann sah er zu uns herüber, als erwartete er Unterstützung, aber wir ignorierten ihn. Burrows war ständig auf dem Kriegspfad. Er würde aus dem hier, wie schon aus so vielem anderen davor, einen persönlichen Kreuzzug machen.
Für Jason Taggard war all dies ein neues Spiel – ein fe s selndes, neues Spiel in einem Leben, das aus tödlichen Wettkämpfen bestand. Für Shannon war es ein Rätsel, mit dem sie ihren durchdringenden mathematischen Verstand beschäftigen konnte. Für mich war es der erste – und, wenn er fehlschlug, zweifellos der letzte – Angriff auf Taggards Mannschaft und Taggards Bett.
Allein Burrows mußte daraus etwas anderes machen. Der Mann hatte eigentlich im NAND nichts zu suchen. Für ihn spielte Moral eine zu große Rolle. Der internationale Nac h richtendienst war für ihn nicht ein Geschicklichkeitsspiel, sondern ein heiliger Krieg. Er war der festen Überzeugung, daß es eine richtige und eine falsche Seite gab; er glaubte an die Erhaltung der Demokratie, der Mutterschaft und an Pr o tein ohne Beimischungen.
Die Stärke seiner moralischen Überzeugungen wurde nur durch die Gnadenlosigkeit übertroffen, mit denen er sie ve r teidigte. Zu einem Kompromiß war er nicht fähig. Taggard war derjenige, der für Manipulation und Verhandlungen z u ständig war, der ein Gleichgewicht zwischen Leben und I n formation herstellen konnte, der in der Lage war, zukünftige Gewinne gegen gegenwärtige Verluste aufzuwiegen, und de s sen unfehlbarer Überlebensinstinkt uns alle am Leben hielt.
Taggard konnte ihn nicht ausstehen, und es war ihm z u wider, für ihn zu arbeiten. Am meisten zuwider war ihm aber das Eingeständnis, daß Taggards amoralische Einste l lung vielleicht mehr für den NAND und seine Ziele erreicht hatte als seine eigene Begeisterung.
Taggard hatte eine weitere Akte hervorgeholt und ihr das Bild eines distinguierten Mannes in den mittleren Jahren entnommen.
„Das ist Ihre Aufgabe, Shannon. Doktor Henry Bec k mann. Seit sechs Jahren der persönliche Hausarzt von Elena Dumesnil. Vielleicht hat McCreary nichts gewußt, das ist immerhin möglich, aber Beckmann muß es gewußt haben.
Seine Krankenschwester hat vor ein paar Stunden einen Unfall gehabt. Sie muß für mindestens zwei Monate ins Krankenhaus. Die Stellenvermittlung schickt ihm für diesen Notfall eine Vertretung – Sie. Hier sind Ihre Unterlagen – Versicherungsschein, Zeugnis, Referenzen und außerdem noch ein zweistündiger medizinischer Auffrischungskurs für Sie. Noch Fragen?“
„Großer Gott, Jason! Es ist sechs Jahre her, seit ich die medizinische Fakultät in Harvard von innen gesehen habe!“
„Sie kommen schon durch, meine Liebe. Beckmanns Pr a xis besteht zum größten Teil aus gelangweilten reichen Frauen, die Anteilnahme suchen. Legen Sie sich einen G e schmack für Klatsch, Tee und teure Pralinen zu, und die S a che ist gelaufen.“
„Vielen Dank.“
„Christi, wie gut ist Ihr Deutsch?“
„Ausgezeichnet“, war meine ehrliche Antwort.
„Gut.“ Er gab mir eine dicke Akte, die bis zum Überque l len mit Bildern, Dokumenten und Berichten vollgestopft war. Ganz oben lag das Farbfoto einer Frau. Ihr Alter war schwer zu schätzen – sie hätte ebensogut fünfunddreißig wie fünfundfünfzig sein können. Und sie war auf eine königliche Art schön.
„Das“, sagte Taggard eindringlich, „ist Lady Katherine Kraus – Aristokratin deutscher Herkunft, Herrscherin über die Kraus-Millionen und sehr wahrscheinlich der Kopf hi n ter diesem ganzen Androiden-Unternehmen .“
„War das nicht ihr Mann, der vor – wann war das, so vor zehn Jahren? – unter dem Verdacht gestanden hat, daß er illegale Experimente durchführte?“ fragte Burrows.
„Genau. Er hat damals eine Menge einflußreiche Freunde gehabt, und es war uns nicht möglich, ihm etwas zu bewe i sen. Er ist dann kurze Zeit später bei einem Feuer auf dem Besitz der Kraus’ umgekommen, und nach seinem Tod hat der NAND das Interesse an der Familie verloren. Das war noch so ein merkwürdiger Fehler.“
„Gibt es irgendwelche Beweise, die die Dumesnil mit der Familie Kraus in Verbindung bringen?“ fragte ich.
„Ja. Recht viele sogar, zum größten Teil aber Indizien. Das
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