Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
Augenblicke lang und blickte dann auf. Er grinste.
„Möchten Sie meinen Lieblingswitz hören?“ fragte er.
„Ja, sehr“, sagte der Psychiater, und bereitete sich auf jeden beliebigen größeren Schock vor.
„Das sind Schallplatten. Ich habe das im Radio aufgenommen.“
Welles hörte zu. Er verstand wenig von Musik, aber die Symphonie, die er hörte, gefiel ihm. Der Ansager lobte sie vor und nach jedem Satz in den höchsten Tönen. Timothy kicherte.
„Gefällt es Ihnen?“
„Sehr. Ich verstehe nur nicht, wo der Witz liegt.“ „Ich habe sie geschrieben.“
„Tim, ich komme einfach nicht mehr mit. Aber wo der Witz liegt, verstehe ich immer noch nicht.“
„Der Witz ist, daß ich das mathematisch erarbeitet habe. Ich habe mir ausgerechnet, was wie Freude, Leid, Hoffnung, Triumph und all das klingen müßte – das war kurz nachdem ich Harmonielehre studiert hatte. Sie wissen ja, wie mathematisch das ist.“
Welles nickte sprachlos.
„Ich habe die Rhythmen aus den verschiedenen Phasen des Stoffwechsels herausgearbeitet – so, wie man eben funktioniert, wenn man unter dem Einfluß dieser Gefühle steht, so, wie sich der Herzschlag und die Atmung und alles mögliche andere ändert. Ich habe die Symphonie an den Leiter jenes Orchesters geschickt, und er begriff nicht, daß es ein Witz war – ich habe ihm das natürlich auch nicht erklärt –, und dann hat er die Musik produziert. Ich bekomme da auch hübsche Tantiemen davon.“
„Du bringst mich noch ins Grab“, sagte Welles voll Überzeugung. „Laß es für heute gut sein. Ich könnte nicht mehr ertragen. Ich gehe nach Hause. Vielleicht verstehe ich den Witz bis morgen und komme dann zum Lachen zurück. Tim, ist dir je etwas mißlungen?“
„Ich habe zwei Schränke voll Artikel und Geschichten, die man mir nicht abgekauft hat. Bei einigen ist mir das sehr unangenehm. Da war zum Beispiel diese Schachgeschichte. Wissen Sie, in ,Die Spiegelwelt’ war das Spiel nicht besonders gut, und man konnte die Beziehung zwischen den einzelnen Zügen und der Geschichte nicht sehr gut mitverfolgen.“
„Ich habe die nie begriffen.“
„Ich dachte, daß es Spaß machen würde, ein Meisterschaftsspiel zu nehmen und eine Geschichte darüber zu schreiben, so als wäre es ein Krieg zwischen zwei kleinen, altertümlichen Ländern mit Rittern und Fußsoldaten und befestigten Wällen, und die Damen sind natürlich echte Damen – man tötet sie nicht, nicht im Nahkampf … Verstehen Sie, worauf ich hinaus will? Ich wollte die Angriffe und die Gefangennahmen erfinden und die Leute lebendig darstellen ein Märchenkrieg, wissen Sie, und dann sollte die Strategie des Spiels und die Strategie des Krieges übereinstimmen und alles zusammenpassen. Ich brauchte furchtbar lange dazu, alles auszuarbeiten und es dann niederzuschreiben, das Spiel als Schachspiel zu verstehen und es dann in menschliche Handlungen und Motive zu übertragen und sprachlich so auszuarbeiten, daß es zu den verschiedenen Leuten paßt. Ich werde Ihnen die Geschichte zeigen. Mir hat sie gefallen. Aber niemand wollte sie drucken. Schachspieler mögen keine Märchen, und sonst mag niemand Schach. Man muß einen ganz besonderen Verstand haben, um beides zu mögen. Aber es war eine große Enttäuschung. Ich hoffte, daß sie veröffentlicht werden würde, weil sie den wenigen Leuten, die so etwas mögen, sehr gut gefallen hätte.“
„Ich bin sicher, daß sie mir gefallen wird.“
„Nun, wenn Sie so etwas mögen, dann ist die Geschichte genau das, worauf Sie Ihr ganzes Leben lang vergebens gewartet haben. Noch niemand hat so etwas geschrieben.“ Tim verstummte und lief rot an. „Jetzt verstehe ich, was Großmutter meint. Wenn man erst einmal angefangen hat, aufzuschneiden und zu prahlen, dann hört man nicht mehr damit auf. Es tut mir leid, Peter.“
„Gib mir die Geschichte. Es macht mir nichts aus, Tim – vor mir kannst du so viel angeben, wie du magst; ich verstehe das. Am Ende zerspringst du noch einmal, wenn du nie deinen berechtigten Stolz und deine Freude an solchen Leistungen ausdrücken kannst. Was ich nicht begreife, ist nur, wie du das alles so lange zurückhalten konntest.“
„Das mußte ich“, sagte Tim.
Die Geschichte war genau das, was ihr junger Verfasser behauptet hatte. Welles mußte ein paarmal lachen, als er sie am Abend las. Er las sie ein zweitesmal und überprüfte sämtliche Züge und die Strategie, die dahinter lag. Es war wirklich gute Arbeit. Dann dachte er an die Symphonie, und
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