Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2

Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2

Titel: Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
Vom Netzwerk:
Streichholzkopf.“ Hollis dachte mit sonderbarer Geistesabwesenheit daran. Er schien sich aus seinem Körper gelöst zu haben und beobachtete nun, wie er tiefer und tiefer in den Weltraum hinabfiel, so objektiv, als beobachte er, wie in einem lang vergangenen Winter, die ersten fallenden Schneeflocken.
    Die anderen schwiegen und dachten über das Schicksal nach, das sie hierher gebracht hatte: fallen, fallen, und nichts, was sie dagegen tun konnten. Selbst der Kommandant war jetzt verstummt, denn er wußte kein Kommando und kannte keinen Plan, die das Geschehene rückgängig machen konnten.
„Oh, der Weg nach unten ist lang. Oh, es ist ein weiter
    Weg nach unten, ein weiter Weg nach unten“, sagte eine Stimme. „Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben, der Weg nach unten ist so lang.“
    „Wer ist das?“ – „Ich weiß nicht.“
„Stimson, glaube ich. Stimson, sind Sie das?“ „Der Weg ist so weit, so weit, und er gefällt mir gar
    nicht. Oh, Gott, ich will das nicht.“
„Stimson, hier spricht Hollis. Stimson, hören Sie mich?“ Eine Pause, in der sie weiter auseinander fielen. „Stimson?“
„Ja.“ Er antwortete endlich.
„Stimson, fassen Sie sich: wir stecken alle in derselben
    Klemme.“
„Ich will aber nicht hier sein. Ich will irgendwo anders
sein.“
„Wir haben noch eine Chance, daß man uns findet.“ „Man muß uns finden, man muß“, sagte Stimson. „Ich
glaube das hier einfach nicht; ich glaube nicht, daß so etwas passieren kann.“
„Ist bloß ein böser Traum“, sagte jemand.
„Schweigen Sie!“ sagte Hollis.
„Bringen Sie mich doch zum Schweigen“, antwortete die
Stimme. Sie gehörte Applegate. Er lachte ungezwungen
und sachlich. „Kommen Sie und bringen Sie mich zum
Schweigen.“
Zum ersten Mal wurde Hollis die Unhaltbarkeit seiner
Stellung bewußt. Eine rasende Wut ergriff ihn, denn mehr
als alles andere wünschte er in diesem Augenblick, Applegate etwas anzutun. Seit vielen Jahren hatte er eine solche Gelegenheit herbeigesehnt, und nun war es zu spät. Applegate war nur noch eine Stimme in seinem Kopfhörer. Und sie fielen, fielen, fielen …
    Jetzt, als hätten sie eben erst das Grauenhafte ihrer Lage entdeckt, begannen zwei Männer zu schreien. Wie in einem Alptraum sah Hollis einen von ihnen ganz nahe vorbeitreiben, ununterbrochen schreiend.
    „Aufhören!“ Der Mann befand sich fast in seiner Reichweite und schrie wie wahnsinnig. Er würde nie aufhören. Sein Schreien würde noch eine Million Meilen weit zu hören sein, so weit ihre Radiogeräte reichten, und ihnen jedes Gespräch untereinander unmöglich machen.
    Hollis langte nach ihm. Es war die beste Lösung. Mit einer besonderen Anstrengung gelang es ihm, den Mann zu berühren. Er faßte ihn am Knöchel und zog sich an seinem Körper hoch, bis er seinen Kopf erreichte. Der Mann schrie und schlug wild um sich, gleich einem Ertrinkenden. Sein Schreien füllte das Universum.
    So oder so, dachte Hollis. Der Mond oder die Erde oder Meteore werden ihn töten; warum also nicht gleich?
Mit seiner eisernen Faust schlug er die Glasmaske des Mannes ein. Das Schreien brach ab. Er stieß sich von dem Körper weg und ließ ihn auf seiner eigenen Bahn weiterwirbeln, fallen.
Und fallend, stürzend, wirbelten Hollis und der Rest der Mannschaft in die endlose Tiefe des Schweigens.
„Hollis, sind Sie noch da?“
Hollis antwortete nicht, fühlte aber, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß.
„Hier spricht wieder Applegate.“
„Was gibt’s, Applegate?“
„Wir wollen uns unterhalten. Etwas anderes können wir ja doch nicht tun.“
Der Kommandant schaltete sich ein: „Genug jetzt. Wir müssen einen Ausweg aus unserer Lage beraten.“
„Käpt’n, warum halten Sie nicht lieber den Mund?“ fragte Applegate.
„Was!“
„Sie haben mich verstanden, Käpt’n. Spielen Sie sich nicht mit Ihrem Rang auf, inzwischen sind Sie zehntausend Meilen entfernt, wir wollen uns doch nichts vormachen. Wie Stimson sagte, ist es ein weiter Weg bis unten.“
„Seien Sie vernünftig, Applegate!“
„Ich bin’s. Sie sehen sich der Meuterei eines einzelnen gegenüber. Verdammt noch mal, ich habe nicht das geringste zu verlieren. Ihr Schiff war ein schlechtes Schiff, und Sie waren ein schlechter Kommandant, und ich hoffe, daß nichts von Ihnen übrigbleibt, wenn Sie mit dem Mond zusammenstoßen.“
„Ich befehle Ihnen zu schweigen!“
„Nur weiter so, befehlen Sie mir’s noch einmal.“ Applegate lächelte über zehntausend Meilen hinweg.

Weitere Kostenlose Bücher