Scream Street - Das Herz der Mumie
seine Turnschuhe, steckte sich das Stolperstein-Buch in die Gesäßtasche seiner Jeans und öffnete das Fenster. Kurz kniff er die Augen zu, weil ihm der
Regen entgegenpeitschte, dann kletterte er auf den Fenstersims. Im fahlen Mondlicht suchte sein Blick den Baum, der ein paar Meter vom Haus entfernt wuchs. Luke kramte in seinem Gedächtnis, wo die stärksten Äste waren und welche der dunklen Umrisse bloß Schatten waren.
Von den vielen sonderbaren Eigenschaften der Scream Street war es für Luke am schwersten zu ertragen, dass hier immerwährende Nacht herrschte.
»Ich finde es echt schrecklich, dass es die ganze Zeit dunkel ist!«
»Die Sonne ist schon vor vielen Jahren weggezaubert worden«, meldete sich Stolperstein aus Lukes Tasche zu Wort. »Bis auf den heutigen Tag wird sie gefangen gehalten.«
»Aber wo?«, wollte Luke wissen.
»Manche sagen, dass sie hier direkt in der
Scream Street eingeschlossen ist«, entgegnete der Autor. »Andere behaupten, sie wurde getäuscht und strahlt nun in einer künstlichen Nachbildung unserer Gemeinde. Die Wahrheit werden wir vielleicht nie herausfinden.«
»Noch ein Grund, von hier wegzugehen«, sagte Luke grimmig und sprang mit einem letzten Blick auf den Eimer in der Zimmerecke in die Nacht hinaus.
2. Kapitel
Der Hinweis
»Halt endlich still!«, befahl Cleo barsch. »Ich kann dein Bein nicht verbinden, wenn du die ganze Zeit auf- und abgehst, als hättest du Fledermäuse im Arsch!«
»Ich verstehe nicht«, sagte Rhesus, der gerade lauter Sachen in seinem Umhang
hin- und herrückte, »wie du dir das Schienbein aufschrammen konntest, wo du doch mit deinen Händen an der Tür gekratzt hast.«
Luke wurde rot. »Ich bin vom Baum gefallen, der vor meinem Fenster steht.«
Cleo gab es auf, Lukes Bein zu verarzten, und schnappte sich die Pinzette, die auf der Frisierkommode neben der Kerze lag. Die Flamme spiegelte sich funkelnd in den goldenen Artefakten ringsherum in ihrem Zimmer. »Dann lass mich wenigstens deine Hände anschauen.«
»Für sie bin ich echt ein Monster«, sagte Luke, während Cleo sich daranmachte, ihm die Splitter aus den Fingerspitzen zu ziehen. »Au!«
»Rhesus«, sagte Cleo, »sag ihm bitte, dass seine Eltern ihn nicht für ein Monster halten.«
»Hey, ich bin da der falsche Ansprechpartner«, entgegnete Rhesus. »Schließlich halten sie mich für ein Monster, dabei bin ich so normal wie sie!« Er zog ein falsches Gebiss aus seinem Umhang und stülpte es sich über seine richtigen Zähne. Von Vampireltern abstammend, fiel Rhesus völlig aus der Reihe. Er verabscheute den Geschmack von Blut, färbte seine blonden Haare mittlerweile schwarz und bei seinen Vampirzähnen musste er mehr als nur ein bisschen nachhelfen.
Seufzend strich Luke mit seinen nun splitterfreien Fingern über die Hieroglyphen auf der goldenen Kiste an der Wand.
»So«, meinte die Mumie, »du lehnst dich jetzt am besten an meinen Sarkophag, sodass ich mich um die Schnittwunde an deinem Bein kümmern kann. Du willst doch nicht, dass sie sich entzündet, oder?«
»Ich soll mich an was lehnen?«, fragte Luke nach.
»Meinen Sarkophag!«, entgegnete Cleo. »Das Ding, das du gerade anfasst. Meine Schlafstätte …«
Ruckartig zog Luke seine Hand weg und starrte auf den glänzenden Sarg. Das Mädchengesicht, das auf dem Deckel eingraviert war, schaute zurück. »Darin schläfst du?«
»Klar«, sagte Cleo und umwickelte die Wunde an Lukes Bein mit einer sauberen
Bandage. »In euren kuschelweichen Betten könnte ich mich echt nicht entspannen!«
Während Cleo den Verband befestigte, ging die Tür auf und eine riesige Mumie kam mit einem goldenen Tablett herein. Die große Gestalt war von Kopf bis Fuß in Bandagen eingewickelt. »Gäste meines Heims, Ihr ehrt meine Tochter mit Eurer Freundschaft«, verkündete die Mumie.
»Kein Grund, so förmlich zu sein, Dad«, sagte Cleo und sprang auf, um ihm das Tablett abzunehmen. »Was ist das?«
»Gereicht wird Konfekt aus der Flora, die beim mächtigen Nilstrom wächst«, sprach die Mumie mit kräftiger Stimme, bevor sie sich etwas unbeholfen verbeugte und rückwärts aus dem Zimmer ging.
»Was hat er da gefaselt?«, wollte Rhesus wissen.
Cleo schnupperte an den Esswaren auf dem Tablett. »Lotusblütenpuffer«, verkündete sie mit einem Strahlen und reichte ihren Freunden das Tablett. »Lecker!«
Zögernd nahm sich Rhesus ein kleines Küchlein und hielt es auf Armeslänge entfernt, als könnte er sich vergiften. »Dein Vater
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