Scream Street - Das Hexenblut
denn?«
»Jedes Mal wenn jemand Nasenbluten hat oder sich in den Finger schneidet und das Blut wegspült, landet es im Abwassersystem«, erklärte Rhesus. »Das Blut wird rausgefiltert und weltweit an alle Vampire verschickt.«
»Das ist ja total eklig!«
»Nicht ekliger als die Art und Weise, wie es sich unsere Vorfahren besorgt haben.« Rhesus öffnete den Mund und entblößte mit einem Fauchen seine spitzen Vampirzähne.
Hinter ihm tauchte Bella Negativ in der Küche auf. »Holst du dir gerade etwas Blut?«, fragte sie und zerzauste ihrem Sohn die Haare.
»Luke weiß, dass ich so normal bin wie seine Eltern«, sagte Rhesus seufzend. »Und
dass ich gar kein echter Vampir bin!« Er zog sein falsches Vampirgebiss aus dem Mund und spülte es kurz unter fließendem Wasser ab, ehe er es sich wieder einsetzte. Urplötzlich versiegte der Blutstrom und die allerletzten Tropfen spritzten gegen das Spülbecken.
»Komisch«, sagte Rhesus. Er öffnete das Schränkchen unter dem Becken und griff hinter die Packungen mit Sargbohnermittel und Zahnbleicher, um den Absperrhahn zu kontrollieren.
Luke hockte sich neben ihn. »Vielleicht gibt’s ja gerade weniger Unfälle und keine aufgeschrammten Knie mehr«, bemerkte er grinsend.
»Na hoffentlich nicht«, sagte Rhesus. »Ohne seinen täglichen halben Liter Blut wird mein Dad nämlich echt launisch.«
»Äh, Luke«, rief Alston aus dem Esszimmer.
»Ich glaube, deine Eltern möchten gern gehen.«
Luke stand auf. Als er aus der Küchentür in den Flur sah, merkte er, dass seine Mutter tapfer lächelte und sein Vater ihr den Arm um die Schultern gelegt hatte. »Ich muss sie unbedingt von hier wegbringen«, sagte Luke leise zu Rhesus. »Solange wir in der Scream Street sind, werden sie wohl ihres Lebens nicht mehr froh.«
»Du meinst …?«, setzte der junge Vampir an.
Luke nickte. »Es ist Zeit, das zweite Relikt zu finden.«
Am darauffolgenden Morgen betrachtete Luke gerade den Zahn des alten Vampirs Graf Negatov, als der ihm plötzlich von einer bandagierten Hand entrissen wurde. »Hey!«, rief er.
»Ich wollte ihn mir doch bloß mal kurz angucken«, sagte die kleine ägyptische Mumie. »Schließlich habe ich einiges durchgemacht, um dir dabei zu helfen, sie zu kriegen!« Cleo Farr war die Dritte im Bunde bei der Reliktsuche.
»Na endlich etwas frische Luft!«, krächzte da eine Stimme.
Mit einem Lächeln zog Luke das Buch Stolpersteins Geschichten aus der Scream Street aus der goldenen Schatulle. Vom silbernen Buchumschlag blickte das Gesicht des Verfassers, Samuel Stolperstein, hoch.
»Ich weiß dein Sicherheitsbedürfnis ja wirklich sehr zu schätzen«, verkündete das Gesicht, »aber musst du mich ausgerechnet in diesem fürchterlichen Kästchen aufbewahren? Darin stinkt es erbärmlich!«
»Na ja, da lagen ja auch fast sechstausend Jahre lang meine Lungen drin«, meinte Cleo.
»Sechstausend Jahre?«
»Sie wurden mir vor der Mumifizierung entnommen«, erklärte Cleo. »Nach so einer langen Zeit würden wahrscheinlich auch die Eingeweide von jedem anderen müffeln, oder?«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Luke, »aber im Augenblick ist das einfach der beste Platz für Sie.«
»Ja«, stimmte Cleo ihm zu. »Sie wollen dochnicht wieder von Sir Otto gefunden werden.«
Stolpersteins Miene verfinsterte sich. »Je eher die Scream Street aus den Klauen dieses Bösewichts befreit wird,desto besser.Wenn er die Relikte der Gründer finden sollte, könnte er den Bewohnern hier das Leben zur Hölle machen. Ihr müsst mich unbedingt sicher aufbewahren.«
Cleo streckte dem Buch durch ihre Binden
die Zunge raus. »Na, und wie finden Sie nun also meine stinkende Schatulle?«
Der Verfasser lächelte. »Ich werde meine Bürde tapfer tragen!«
»Es ist ja nur so lange, bis wir alle Relikte zusammen haben«, warf Luke ein.
»Ich verstehe«, meinte Samuel Stolperstein. »Und ihr seid hoffentlich gekommen, um zu fragen, wo sich die Gabe des zweiten Gründungsmitglieds befindet?«
Luke nickte. »Meine Eltern sind hier ziemlich unglücklich. Ich muss sie unbedingt zurück nach Hause bringen.«
»Sollen wir nicht noch auf Rhesus warten?«, fragte Cleo.
Luke sah auf seine Uhr. Obwohl draußen vor dem Fenster die Sterne glitzerten, war es erst zehn Uhr morgens. Dass in der Scream Street durchgehend Nacht herrschte, brachte sein Zeitgefühl völlig durcheinander.
»Er hat versprochen, er würde gleich herkommen«, sagte Luke. »Ich bin mir sicher, dass er nichts dagegen
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