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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Huppel die Dinge so miteinander verquickt, daß man das eine nicht ohne das andere haben konnte. Keinen Cordwainer ohne Huppel, und keinen Huppel ohne Cordwainer.
    So hatten sie gemeinsam ein machtvolles Instrument entwickelt: eine empfängnisverhütende Methode, die nicht nur hundertprozentig wirksam war, sondern zugleich in der Anwendung sehr viel befriedigender als jede bloße Schwängerung herkömmlicher Art. Mit einem Wort, der höchste Genuß … – und dazu ökologisch vorteilhaft.
    Dennoch war der dritte Faktor notwendig gewesen, um das Rezept zum Erfolg zu führen: der rechte historische Zeitpunkt, die richtige Kombination von menschlichem und sozialem Klima. Und die frühen 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hatten eine solche Kombination begünstigt.
    Pete kannte die historischen Zusammenhänge. Zum fraglichen Zeitpunkt hatte die ungehemmte Vermehrung der Weltbevölkerung ein Ausmaß erreicht, daß der Weg in die Menschheitskatastrophe unausweichlich programmiert schien. Mit dieser Entwicklung war seit den 60er Jahren ein Verfall ethischer und sittlicher Normen einhergegangen. Eine von Zukunftsangst neurotische Menschheit, die in den überkommenen Werten ihrer zerfallenden Kultur keinen Halt mehr finden konnte, hatte sich, wahrscheinlich in dem Gefühl, daß es damit jeden Augenblick ein Ende haben konnte, dem Genuß zugewandt. Sensationen und Sinnenkitzel, Alkohol und Drogen waren gefragter denn je. Und von allem stand bei beiden Geschlechtern der Orgasmus hoch im Kurs.
    Gleichzeitig gab es für jene, die ernster und verantwortungsbewußter dachten, Hunderte von gesellschaftlichen und politischen Bewegungen, und jede von diesen kämpfte ebenso verzweifelt wie vergeblich gegen die Unmöglichkeit an, etwas zu bewegen. Insbesondere die Frauen, von den Medien der Konsumgesellschaft zur Ware degradiert, unzufrieden mit der Wahl zwischen Kindern und Emanzipation, lehnten sich auf. Das Meinungsklima – von oben geprägt von neokonservativer Prüderie und Heuchelei – bedrängte sie, beides zu haben – aber das war, durch die schiere Mechanik der Sache, nicht möglich. Auch Männer waren unzufrieden: selbst unreif, umstellt von den falschen Idealbildern einer kommerzialisierten Unterhaltungsindustrie, kämpften sie nun um die Vorrechte ihrer vermeintlichen Überlegenheit, als versuchte jemand, sie ihrer Männlichkeit zu berauben. Pete kannte die historischen Zusammenhänge. Seine Generation wußte Bescheid. Sie hatte Anschauungsunterricht erhalten. Heutzutage lag die Betonung auf Teilhabe, und Gleichheit war für jene, die sie anstrebten, ohne weiteres erreichbar.
    So war der historische Augenblick günstig gewesen, und Cordwainer und Huppel hatten zur rechten Zeit – und in letzter Minute – die Bühne der Menschheitsgeschichte betreten. Und so waren die scheinbar schon zum Untergang verurteilte Menschheit und ihre Zivilisation gerettet worden. Pete trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Gerettet wozu? Er zuckte die Achseln. Für ein ruhiges, angenehmes Leben – und für die Spiele.
    Er bog in eine Tankstelle ein und fuhr unter den Zapfautomaten, Benzin zu tanken, das er nicht brauchte. Er drückte sich. Noch war Zeit umzukehren, vor Dornen und Dickichten, vor einem Vater, der krank war, vielleicht im Sterben lag. Aber er war seiner Schuld müde. Und siebzehn Jahre waren eine geeignete Wendemarke – keine Entschuldigung, aber ein vernünftiger Augenblick in der Geschichte seiner Persönlichkeit, an dem er zurückkehren, sich loslösen und dann seinen Weg weitergehen konnte.
    Also wartete er ungeduldig, bis der Automat fertig war und seine Ausweiskarte abgetastet hatte, um mit erneuter Entschlossenheit weiterzufahren.
    Bis der Traum, der sich im Vorbeifahren an all den weiten Feldern und verfallenen Einkaufszentren unbemerkt gesammelt hatte, plötzlich über ihn hereinbrach.
    Jedem anderen hätte es nichts bedeutet. Bloß eine Gruppe vernachlässigter Gebäude und das gelbe Blinklicht einer Kreuzung. Bankfiliale, C&C-Abholmarkt, Feuerwehr, Polizeirevier, Arztpraxis, Drogerie, Wasserturm, Schule. Alle offenbar noch in Benutzung, nahe beisammen, als suchten sie bei ihresgleichen Zuflucht vor der Weite der Landschaft. Und für ihn eine Traumwelt, seine Kindheit … Selbst Kates chinesischer Schnellimbiß. Die faule Kate mit der Hasenscharte und, wie gerüchteweise verlautete, einer falschen Brust. Aber sie wollte einem nie sagen, welche es war, dafür ließ sie einen fühlen, wenn sie einen mochte,

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