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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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aber nur mit einem Finger. Darauf durfte man raten, und sie lächelte ihr zusammengenähtes Lächeln und sagte es nicht. Ihr Imbiß war noch da, aber sicherlich nicht sie. Nicht nach siebzehn Jahren, lieber Gott, nein.
    Mit Herzklopfen bog er unter dem Blinklicht nach rechts, die Anhöhe hinunter. Reifen quietschten – doch nicht seine? Er fuhr schneller denn je. Dieselben Sommerhäuschen, aufgereiht zwischen den Bäumen. Dasselbe abblätternde Schild über den mit Brettern verschlagenen Fenstern des Galorium-Lagerhauses, das nicht mehr und nicht weniger verfallen schien. Aber der alte, weiß gestrichene Holzbau der Leihbücherei, mit pietätvollen Erkertürmchen und neugotischen Spitzbogenfenstern, beherbergte jetzt eine Kegelbahn. Vorher, im Traum, war es ein öffentlicher Datenanschluß mit Einrichtungen zur Video-Einblendung gewesen, ein kleiner, unbedeutender Unterschied. Anscheinend hatten die Einheimischen heutzutage ihre eigenen Bildschirmgeräte. Oder kamen ohne aus, weil sie es so wollten.
    An der Brücke über den Fluß endete die Ortschaft. Ein paar Kartoffeläcker, gelegentlich ein verlassenes Farmhaus. Drei Kilometer weiter kam er zum Beginn der Landzunge.
    Er hörte auf, sich Gedanken zu machen, auf einmal war es ihm gleich. Der Wagen fuhr wie von selbst. Durch hohe Strandkiefern sah er den Ozean wie durch Gitter. Die Strandkiefern waren alte Feinde. Das Gras am Straßenrand behauptete sich mühsam gegen angewehten Flugsand. Der Sand knirschte zwischen seinen Zähnen. An ihrem Anfang, der schmalsten Stelle, war die Landzunge einen halben Kilometer breit, auf einer Seite der Strand, auf der anderen die Muschelbänke, Schlammflächen und die Bucht. Wenn man stehenblieb, kroch einem der Schlamm um die nackten Füße hoch.
    Bald hatte er die Spitze erreicht, einen unregelmäßig geformten Vorsprung, dicht bewaldet, mit felsigen Ufern. Angetriebener Blasentang dampfte in der Sonne, füllte seine Lungen mit dem Geruch von Fäulnis, Salzwasser und Jod.
    Weiter und weiter, vorüber an der Abzweigung zur Ferry Lane, deren Häuser vom Grün überwuchert und allmählich wieder zu den Bäumen wurden, aus denen sie erbaut worden waren. Aber ein Splitter von den Eingangsstufen vor Nummer vier hatte sich in seinen mageren kleinen Hintern gebohrt, daß ihm die Tränen gekommen waren. Und dann der Golfklub, vier oder fünf Wagen, wo früher vor lauter Chrom kein Durchkommen gewesen war, aber derselbe geharkte Kies und dieselben weißen Holzpfosten mit Ketten dazwischen, auf denen zu schaukeln ein Verbrechen gewesen war. Dann der Golfplatz – Bälle zwischen den Bäumen, siebzig Cents für den Jungen, der einen fand. Hör mal, Junge, du ziehst es einem aber aus der Tasche. Ein regelrechter Dieb bist du, Junge – das schwöre ich zu Gott!
    Ein Stück hinter dem Golfklub stand ein Mädchen am Straßenrand, einen Fuß auf der Bordsteinkante, und band sich den Schnürsenkel. Frisch wie der Frühling. Schattenlos unter der Mittagssonne.
    Lebendig.
    Er hielt am Straßenrand bei ihr, entdeckte, daß seine Handflächen schwitzten und schob sie unter die Schenkel. Er würde sie nach dem Weg fragen.
    »Wohnen Sie hier?« rief er.
    Sie zog die Schleife an ihrem Schnürsenkel fest, richtete sich ungezwungen auf. »He«, sagte sie. »Einen hübschen Huppeltag.«
    »Zum Teufel mit Huppel! Ich fragte, ob Sie hier wohnen?«
    Sie lachte. »Sehe ich wie eine Sommerfrischlerin aus?«
    Er dachte, im Gegenteil, wie natürlich und ungezwungen sie aussah. Er zog die Hände unter den Schenkeln hervor. »Snob«, erwiderte er. »Woher wollen Sie wissen, daß ich nicht selber Sommerfrischler bin?«
    »Natürlich sind Sie keiner.«
    Er fühlte sich geschmeichelt, aber wie konnte sie so sicher sein? Sein Wagen mit dem Kennzeichen der Stadt, seine korrekten, Eltern distanzierenden Stadtkleider, sein geschäftsmäßiger Schnurrbart … für seine Begriffe war ihm der Besucher aus der Stadt auf hundert Meter anzusehen.
    »Können Sie mir sagen, wie ich zur Schulman-Villa komme?«
    Sie stand mit verschränkten Armen da und schaute ihn an. »Sie sind Pete Laznett.«
    Er lächelte, begegnete ihrem Blick. »Das ist großartig. Haben Sie mit meiner Mutter gesprochen?«
    »Die meisten Tage. Sie ist die Größte.« Das Mädchen strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Mädchen oder Jungen?« fragte sie.
    »Mädchen«, sagte er abwesend, beschäftigt mit der Frage, wie seine Mutter für irgend jemand die größte sein könne. »Das heißt, wenn ich

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