SdG 04 - Die eisige Zeit
außerdem eine verdammte Schande«, fügte sie hinzu, während sie ihre Duellhandschuhe anzog. »Er hatte Potenzial, trotz des Fetts.«
Die drei Barghast standen nun beieinander. Cafal rammte eine Reihe von Lanzen in den steinigen Boden, während Hetan damit beschäftigt war, sich und ihre beiden Brüder mit einem dicken Seil aneinander zu binden. Fetische aus Federn und Knochen hingen von Knoten in dem Seil, und Grantl schätzte, dass die drei jeweils fünf bis sechs Armlängen voneinander entfernt stehen würden. Als die anderen beiden ihre Aufgaben erfüllt hatten, reichte Netok ihnen zweiklingige Äxte. Alle drei legten diese Waffen vor ihren Füßen ab und griffen sich eine Lanze. Dann begannen sie einen leisen, grollenden Gesang, wobei Hetan die Führung übernahm.
»Karawanenführer.«
Grantl riss den Blick von den Barghast los und sah sich Meister Keruli gegenüber, der an seine Seite getreten war. Der Priester hatte die Hände vor dem Leib gefaltet, und sein Seidenumhang schimmerte wie Wasser. »Der Schutz, den ich Euch anbieten kann, ist nur begrenzt. Ihr und Harllo und Stonny solltet dicht bei mir bleiben. Lasst euch nicht herauslocken. Konzentriert euch auf die Verteidigung.«
Grantl zog seine Macheten und nickte. Harllo trat auf die linke Seite des Karawanenführers, das Zweihandschwert ruhig vor sich ausgestreckt. Stonny stand zu Grantls Rechten, Rapier und Dolch bereit.
Um sie machte er sich die meisten Sorgen. Ihre Waffen waren zu leicht für das, was da kam – er erinnerte sich an die Beschädigungen von Bauchelains Wagen. Hier würde gleich brutale Kraft gefragt sein, nicht Raffinesse. »Bleib einen Schritt zurück, Stonny«, sagte er.
»Sei nicht blöd.«
»Das hat nichts mit Ritterlichkeit zu tun, Stonny Einem Untoten macht es nichts aus, wenn er ein paar kleine Löcher abbekommt.«
»Das werden wir ja sehen, oder?«
»Bleib dicht bei unserem Herrn – beschütze ihn. Das ist ein Befehl, Stonny«
»Ich habe verstanden«, knurrte sie.
Grantl wandte sich erneut an Keruli. »Mein Herr, wer ist Euer Gott oder Eure Göttin? Wenn Ihr ihn oder sie anruft – was sollten wir dann erwarten?«
Der rundgesichtige Mann runzelte leicht die Stirn. »Was wir erwarten können? Ich fürchte, ich habe keine Ahnung, Karawanenführer. Meine … die Kräfte meines Gottes sind nach Tausenden von Jahren erst vor kurzem wieder aus tiefem Schlaf erwacht. Mein Gott ist ein Älterer Gott.«
Grantl starrte ihn an. Ein Älterer Gott? Sind die Älteren Götter nicht wegen ihrer Grausamkeit aufgegeben worden? Was könnte hier entfesselt werden? Königin der Träume, beschütze uns.
Er sah zu, wie Keruli einen Dolch mit langer, schmaler Klinge zog und sich tief in die linke Handfläche schnitt. Blut tropfte zu seinen Füßen ins Gras. Plötzlich roch es wie in einem Schlachthaus.
Ein kleines, wie ein Mensch geformtes Ding aus Stöcken, Zweigen und Ranken huschte in den Lichtkreis, zog magische Energien wie eine Rauchfahne hinter sich her. Der Stockschlingen-Schamane.
Grantl spürte, wie die Erde unter schnell näher kommenden Schritten erzitterte, ein tiefes, unbarmherziges Trommeln wie das Hufgetrappel von Schlachtrossen. Nein, eher wie von Riesen. Sie gehen aufrecht, und es sind fünf Beinpaare, vielleicht mehr. Sie kamen von Osten.
Geisterhafte Umrisse waren für einen kurzen Augenblick zu sehen, verschwanden dann wieder. Das Zittern des Erdbodens wurde langsamer, verteilte sich, als die Kreaturen ausschwärmten.
Der Gesang der Barghast endete abrupt. Grantl warf einen Blick in ihre Richtung. Die drei Krieger hatten sich nach Osten gewandt, die Lanzen bereit. Nebelschwaden stiegen zwischen ihren Beinen auf, wurden dichter. In wenigen Augenblicken würden Hetan und ihre Brüder völlig vorn Nebel eingehüllt sein.
Jetzt herrschte Stille.
Die vertrauten, lederumwickelten Griffe seiner Macheten fühlten sich in Grantls Händen glitschig an. Er konnte spüren, wie sein Herz in der Brust hämmerte. Schweißtropfen glitzerten in seinem Gesicht, tropften von Kinn und Lippen. Er strengte sich an, versuchte, in der Dunkelheit jenseits der Lichtkuppel etwas zu erkennen. Nichts. Dies ist der Augenblick des Soldaten, jetzt, bevor die Schlacht beginnt. Wer würde sich freiwillig für ein solches Leben entscheiden? Du stehst inmitten anderer Menschen, die sich alle dergleichen Bedrohung gegenübersehen und furchtbar allein fühlen. In der kalten Umarmung der Angst, des Gefühls, dass alles, was du bist, in wenigen
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