SdG 04 - Die eisige Zeit
Gefühlen, um zu verzweifeln.« Einen Augenblick später machte er sich wieder daran, das magere Tier in seinen Händen zu säubern.
»Jedes Geschenk ist zweischneidig.«
Toc verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während er den Hasen ausnahm. »Zweischneidig. Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Ich fange allmählich an, die Legenden für bare Münze zu nehmen – verliere ein Auge und du wirst die Gabe des wirklichen Sehens erfahren.«
»Wie hast du dein Auge verloren, Toc der Jüngere?«
»Durch ein glühend heißes Stück von Mondbrut – der tödliche Regen, als das magische Flankenfeuer in vollem Gange war.«
»Ein Stück Stein.«
Toc nickte. »Ein Stück Stein.« Dann verstummte er, schaute auf.
»Obelisk«, sagte Tool. »In den alten Karten – den Karten der Festen, den Vorläufern der Drachenkarten – war er als Menhir bekannt. Du bist vom Stein berührt worden, Sterblicher – Chen’re aral lich’fayle – dort, auf deiner Stirn. Ich gebe dir einen neuen Namen: Aral Fayle.«
»Ich kann mich nicht erinnern, um einen neuen Namen gebeten zu haben, Tool.«
»Um Namen bittet man nicht, Sterblicher. Namen verdient man sich.«
»Oh, das klingt wie bei den Brückenverbrennern.«
»Es ist eine uralte Tradition, Aral Fayle.«
Beim Atem des Vermummten. »Na toll!«, schnappte er. »Nur kann ich nicht sehen, dass ich irgendetwas verdient habe – «
»Du bist in ein Gewirr des Chaos geschickt worden, Sterblicher. Du hast überlebt – was an sich schon ein sehr unwahrscheinliches Ereignis ist – und bist den langsamen Strudel entlang auf den Riss zugereist. Dann hätte dich Morns Portal eigentlich verschlingen müssen, stattdessen hat es dich ausgespien. Stein hat dir eines deiner Augen genommen. Und die Ay hier hat dich erwählt, ihre Seele mit ihr zu teilen. Baaljagg hat in dir einen Wert gesehen, den man nur selten findet, Aral Fayle – «
»Ich will immer noch keine neuen Namen! Beim Atem des Vermummten!« Er schwitzte unter seiner abgetragenen, staubbedeckten Rüstung und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln, das Gespräch von sich selbst abzulenken. »Was bedeutet dein Name denn eigentlich? Onos T’oolan – wo kommt das her?«
»Onos bedeutet ›Mann ohne Clan‹. T bedeutet ›zerbrochen‹. Ool heißt ›geädert‹, während lan ›Feuerstein‹ heißt, und in der Kombination bedeutet T’oolan fehlerhafter Feuersteine«
Toc starrte den T’lan Imass mehrere Herzschläge lang an. »Fehlerhafter Feuerstein.«
»Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Bedeutungen.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
»Von einem einzelnen Kern werden Klingen abgeschlagen, die alle eine eigene Verwendung finden. Wenn Kristall-Adern oder -Knoten verborgen im Innern des Kerns liegen, kann man die Form der Klingen nicht vorhersagen. Jeder Hieb gegen den Kern lässt nur nutzlose Stücke abbrechen. So war es auch mit der Familie, in die ich geboren wurde. Falsch abgeschlagen, alle miteinander.«
»Tool, ich kann in dir keine Fehler erkennen.«
»In reinem Feuerstein sind alle Sandkörner in einer Linie ausgerichtet. Alle blicken in die gleiche Richtung. Es ist eine Einheit, die einem Zweck dient. Die Hand, die einen solchen Feuerstein formt, kann vertrauensvoll sein. Ich habe zu Tarads Clan gehört. Tarads Vertrauen in mich war unangebracht. Tarads Clan existiert nicht mehr. Bei der Zusammenkunft wurde Logros erwählt, die Clans zu führen, deren Heimat das Erste Imperium gewesen war. Er hat erwartet, dass meine Schwester, eine Knochenwerferin, zu seinen Untergebenen zählen würde. Sie hat sich dem Ritual verweigert, und so wurden die Logros T’lan Imass geschwächt. Das Erste Imperium ist untergegangen. Meine beiden Brüder, T’ber Tendara und Han’ith Iath, haben Jäger in den Norden geführt und sind nie zurückgekehrt. Auch sie haben versagt. Ich wurde als Erstes Schwert erwählt, doch ich habe Logros T’lan Imass im Stich gelassen. Ich reise allein, Aral Fayle, und begehe so das größte Verbrechen, das mein Volk kennt.«
»Moment mal«, wandte Toc ein. »Du hast gesagt, du bist zu einer zweiten Zusammenkunft unterwegs – du kehrst zu deinem Volk zurück …«
Der untote Krieger antwortete nicht, sondern wandte nur langsam den Kopf, um nach Norden zu blicken.
Baaljagg erhob sich, streckte sich und tappte dann an Tools Seite. Die gewaltige Wölfin setzte sich hin, blickte wie der T’lan Imass stumm nach Norden.
Plötzlich durchlief Toc den Jüngeren ein kalter
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