SdG 04 - Die eisige Zeit
mir, Wölfin? Nein, nicht von mir – du willst gar nichts von mir, stimmt’s? Du willst etwas von meinem Begleiter, dem untoten Krieger. Onos T’oolan. Ihn hast du erwartet, während du bei Lady Missgunst warst. Und Garath? Ach, noch ein Geheimnis … ein andermal …
Toc blinzelte. Sein Kopf zuckte zurück, als die Verbindung abbrach. Baaljagg – kein Wolf, eine Wölfin, wie er nun wusste – schlief an seiner Seite. Benommen und zitternd schaute er sich im dämmrigen Licht um.
Ein Dutzend Schritte von ihm entfernt stand Tool und sah ihn an. Über der einen Schulter des T’lan Imass hingen zwei Hasen.
Oh, Beru hilf. Siehst du? Weich im Innern. Viel zu weich für diese Welt und ihre vielschichtige Geschichte, ihre endlosen Tragödien. »Was?«, fragte Toc. Seine Stimme war nur ein Krächzen. »Was will die Wölfin von dir, T’lan Imass?«
Der Krieger neigte leicht den Kopf. »Dass ich ihrer Einsamkeit ein Ende bereite, Sterblicher.«
»Hast du – hast du ihr eine Antwort gegeben?«
Tool drehte sich um, ließ die Hasen zu Boden fallen. Als er sprach, war der Kundschafter entsetzt über die nackte Traurigkeit in seiner Stimme. »Ich kann nichts für sie tun.«
Der kalte, leblose Tonfall war verschwunden, und zum ersten Mal konnte Toc etwas von dem erkennen, was sich hinter dem toten, vertrockneten Gesicht verbarg. »Ich habe noch nie so etwas wie Schmerz in deiner Stimme gehört, Tool. Ich hätte nicht gedacht – «
»Du hast nicht richtig hingehört«, entgegnete der T’lan Imass, und seine Stimme klang wie immer frei von jeder Modulation. »Bist du damit fertig, deine Pfeile zu befiedern, Toc der Jüngere?«
»Ja, genau wie du’s mir gezeigt hast. Sie sind fertig, die zwölf hässlichsten Pfeile, die zu besitzen ich jemals das Vergnügen hatte. Vielen Dank, Tool. Es ist ungeheuerlich, aber ich bin wirklich stolz darauf, sie zu haben.«
Tool zuckte die Schultern. »Sie werden dir gute Dienste leisten.«
»Ich hoffe, du hast Recht.« Toc stand ächzend auf. »Dann werde ich mich mal ums Essen kümmern.«
»Das ist Senus Aufgabe.«
Toc blinzelte den T’lan Imass an. »Nicht du auch noch, oder? Sie sind Seguleh, Tool, keine Diener. Solange Lady Missgunst nicht hier ist, werde ich sie als Reisegefährten behandeln und mich von ihrer Gegenwart geehrt fühlen.« Er warf einen Blick zu den beiden Kriegern hinüber und stellte fest, dass sie ihn anstarrten. »Auch wenn sie nicht mit mir reden.«
Er nahm die beiden Hasen, die der T’lan Imass mitgebracht hatte, und hockte sich neben die Feuerstelle. »Erzähl mal, Tool«, sagte er, während er damit begann, den ersten Hasen zu häuten, »hast du irgendeine Spur von anderen Reisenden gefunden, als du auf der Jagd warst? Sind wir auf dieser Ebene ganz allein?«
»Ich habe keine Hinweise auf Händler oder andere Menschen gesehen, Toc der Jüngere. Nur Bhederin-Herden, Antilopen, Wölfe, Kojoten, Füchse, Hasen und gelegentlich einen Bär der Ebenen. Raubvögel und Aasvögel. Verschiedene Schlangen und Eidechsen – «
»Eine richtige Menagerie«, murmelte Toc. »Wie kommt es dann, dass ich nichts sehen kann, wenn ich den Horizont absuche? Überhaupt nichts. Keine Tiere, noch nicht einmal Vögel.«
»Die Ebene ist riesig«, erwiderte Tool. »Außerdem sind da noch die Effekte des Teilann-Gewirrs, die mich umgeben – auch wenn es im Moment stark geschwächt ist. Irgendjemand hat mir meine Lebenskraft entzogen, fast bis zur Erschöpfung. Frag mich nicht, was das zu bedeuten hat. Doch dessen ungeachtet schrecken meine Teilann-Kräfte sterbliche Tiere ab. Diese Kreaturen neigen dazu, mich zu meiden, wenn sie können. Wir werden allerdings von einer Meute Ay’tog – gelbhaarigen Wölfen – verfolgt. Noch sind sie ziemlich scheu. Doch möglicherweise wird ihre Neugier irgendwann größer.«
Toc warf noch einmal einen Blick auf Baaljagg. »Alte Erinnerungen.«
»Erinnerungen an die eisige Zeit.« Die Augenhöhlen des T’lan Imass waren unverwandt auf den Malazaner gerichtet. »Dies und deine Worte von vorhin lassen mich zu dem Schluss kommen, dass zwischen dir und der Ay etwas geschehen ist – eine Verknüpfung der Seelen. Wie ist das geschehen?«
»Ich weiß nichts von irgendeiner Verknüpfung der Seelen«, erwiderte Toc, der immer noch die schlafende Wölfin anstarrte. »Mir wurden … Visionen zuteil. Ich nehme an, wir haben Erinnerungen geteilt. Wie das geschehen ist? Ich weiß es nicht. Das Ganze war mit Gefühlen verbunden, Tool … mit genug
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