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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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entging so gut wie nichts. Der Tag neigte sich dem Ende zu, die Schatten wurden länger. Staubschwaden auf der Ebene im Westen zeigten, wohin die Pannionier sich zurückzogen – sie wurden noch immer von Gruppen des Barahn-Clans weiter und weiter nach Westen getrieben.
    In der Stadt selbst waren noch immer Tausende von Barghast auf den Straßen unterwegs. Sie schafften die Toten weg, während andere Stämme angefangen hatten, jenseits der Nordmauer riesige Gruben auszuheben, die sich bereits mit Leichen füllten, während beschlagnahmte Wagen in einer langen Reihe aus der Stadt strömten. Die lange, abstumpfende Aufgabe, Capustan von den Toten zu befreien, hatte begonnen.
    Direkt unter ihm drängten sich jetzt mehr Gestalten auf den Platz – Barghast, die aus den Mündungen der Straßen und Gassen strömten und Humbrall Taur folgten, als der Kriegshäuptling sich dem Tor des Knechts näherte. Der Sperber, der einst Buke gewesen war, hörte kein anderes Geräusch als den Wind, was der Szene unter ihm eine hehre, ätherische Qualität verlieh.
    Dennoch ließ sich der Raubvogel nicht tiefer herabsinken. Distanz war alles, was ihn seit Anbruch der Morgendämmerung vor dem Wahnsinn bewahrt hatte.
    Von hier oben betrachtet, wirkten die gewaltigen Dramen von Tod und Verzweiflung abgeschwächt und fast bis zur Abstraktion gemildert. Wellenförmige Bewegungen, verschwommene Farben, die schiere Schmutzigkeit der Menschheit – alles abgeschwächt, die Sinnlosigkeit auf etwas reduziert, das merkwürdig leicht zu handhaben war.
    Ausgebrannte Gebäude. Das tragische Ende Unschuldiger. Ehefrauen, Mütter, Kinder. Verzweiflung, Entsetzen und Kummer, die Stürme zerstörter Leben -
    Nicht näher.
    Ehefrauen, Mütter, Kinder. Ausgebrannte Gebäude.
    Geh nicht näher heran.
    Nie wieder.
    Der Sperber ließ sich von einem Aufwind erfassen, glitt empor, die Augen nun auf die belebenden Sterne gerichtet, während die Nacht die Welt unter ihm verschlang.
    Die Geschenke der Älteren Götter brachten Schmerz.
    Aber manchmal brachten sie auch Barmherzigkeit.

Kapitel Fünf
     
    Die Geburt der Barghast-Götter dröhnte wie ein Hammerschlag auf dem Amboss des Pantheons.
    Diese aufgestiegenen Geister von urtümlicher Natur kamen aus der Feste des Tiers, jener ältesten aller Sphären aus den längst verlorenen Älteren Drachenkarten. Da sie über Geheimnisse und Mysterien verfügten, die im tierischen Schatten der Menschheit geboren worden waren, besaßen sie eine Macht, die in Vorweltlichkeit gehüllt war.
    In der Tat müssen die anderen Götter das Zittern ihrer Erhebung gespürt haben, und sie müssen ihre Häupter voller Schrecken und Bestürzung erhoben haben. Schließlich war einer der Ihren gerade an die Sphäre der Sterblichen ausgeliefert worden, während an seiner Stelle ein Erster Held den Mantel des Kriegers errungen hatte. Darüber hinaus war der Gestürzte voller Böswilligkeit in das Spiel zurückgekehrt und hatte die Gewirre infiziert, um sein tödliches Verlangen nach Rache und – das muss man im klarsichtigen Rückblick sagen – nach Vorherrschaft zu verkünden.
    Brands Schlaf war fiebrig. Die menschliche Zivilisation war in zahllosen Ländern ins Straucheln geraten, ertrank in einem Sumpf aus vergossenem Blut. Es waren dunkle Zeiten, damals, und es war eine Dunkelheit, die für die Dämmerung der Barghast-Götter wie geschaffen schien …
     
    Im Gefolge der Träume
    Imrygyn Tallobant der Jüngere
     
    D
    er Magier öffnete die Augen.
    Und sah auf einem Rucksack direkt vor sich eine kleine Gestalt aus umwickelten Stöcken und verknoteten Bindfäden hocken, mit einer Eichel als Kopf, der jetzt leicht zur Seite geneigt war.
    »Wach. Ja. Ein Verstand, der wieder gesund ist.«
    Der Schnelle Ben schnitt eine Grimasse. »Talamandas. Einen Augenblick habe ich tatsächlich geglaubt, ich würde einen besonders unangenehmen Albtraum durchleben.«
    »So, wie du in den letzten paar Tagen und Nächten gefiebert und getobt hast, hast du mehr als ein paar unangenehme Albträume durchlebt, oder?«
    Schwacher Regen trommelte auf die schrägen Zeltwände. Der Magier schob die Felle beiseite, mit denen man ihn zugedeckt hatte, und setzte sich langsam auf. Er stellte fest, dass er wenig mehr als seine dünne wollene Unterwäsche am Leib trug; seine Lederrüstung und die gesteppte Tunika hatte man ihm ausgezogen. Er war nass geschwitzt und fröstelte, die schmutzige, grobe Wolle war feucht. »Getobt?«
    Die Stockschlinge lachte leise. »Oh ja.

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