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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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vielleicht zufrieden gestellt. Nun, wir wissen genauso wenig wie vor dem Zusammentreffen mit diesem Schiff. Und wir beide können ein Schiff dieser Größe nicht führen.«
    »Sie hätten mit uns das Gleiche getan wie mit den Ruderern «, behauptete Karsa.
    »Möglicherweise.« Torvald richtete seine Aufmerksamkeit auf eine der Leichen zu seinen Füßen und ging langsam in die Hocke. »Sie sehen barbarisch aus, diese Burschen – äh, nach Daru-Maßstäben, meine ich. Seehundfelle – dann sind es also wahre Seefahrer – und aufgereihte Tatzen und Zähne und Muscheln. Der auf dem Stuhl des Kapitäns war ein Magier?«
    »Ja. Ich verstehe solche Krieger nicht. Warum gebrauchen sie keine Schwerter oder Speere? Ihre Magie ist erbärmlich, doch sie scheinen ihrer so sicher zu sein. Schau dir seinen Gesichtsausdruck an – «
    »Er sieht überrascht aus, stimmt«, murmelte Torvald. Er warf Karsa einen Blick zu. »Sie vertrauen auf Zauberei, weil sie normalerweise funktioniert. Die meisten Angreifer überleben es nicht, wenn sie von einem Schwall magischer Energien getroffen werden. Es reißt sie in Stücke.«
    Karsa drehte sich um und stapfte auf die Tür zu. Torvald folgte ihm einen Augenblick später.
    Sie kehrten auf das Hauptdeck zurück. Karsa zog die herumliegenden Leichen aus und trennte ihnen die Zungen und Ohren ab, bevor er sie über Bord warf.
    Der Daru schaute ihm einige Zeit zu, dann trat er zu den abgeschlagenen Köpfen. »Sie haben dich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen«, sagte er zu Karsa. »Das ist mehr, als ich ertragen kann.« Er nahm sich ein nahe gelegenes Bündel, entfernte das Fell, in das es eingewickelt war, legte es um den nächstliegenden abgetrennten Kopf und zog es eng darum zusammen. »Wenn man es recht bedenkt, würde Dunkelheit eigentlich besser zu ihnen passen …«
    Karsa runzelte die Stirn. »Warum sagst du das, Torvald Nom? Was wurdest du vorziehen – die Möglichkeit, die Dinge zu sehen, die um dich herum vorgehen, oder die Dunkelheit?«
    »Das hier sind Tiste Andii, abgesehen von ein paar wenigen – und diese wenigen ähneln viel zu sehr Leuten wie mir.«
    »Wer sind diese Tiste Andii?«
    »Einfach ein Volk. Ein paar kämpfen in Caladan Bruths Befreiungsarmee in Genabackis. Sie sind ein sehr altes Volk. Jedenfalls beten sie die Dunkelheit an.«
    Karsa, der sich plötzlich müde fühlte, setzte sich auf die Stufen, die zum Vorderdeck hinaufführten. »Dunkelheit«, murmelte er. »Ein Ort, an dem man blind ist – merkwürdig, so etwas anzubeten.«
    »Vielleicht ist es die realistischste Anbetung überhaupt«, erwiderte der Daru, während er einen weiteren abgetrennten Kopf einwickelte. »Wie viele von uns beugen in der verzweifelten Hoffnung, dass wir irgendwie unser Schicksal beeinflussen können, ihr Haupt vor einem Gott? Zu den vertrauten Gesichtern zu beten vertreibt unser Entsetzen vor dem Unbekannten – dem Unbekannten, das die Zukunft ist. Wer weiß, vielleicht sind diese Tiste Andii die einzigen von uns, die die Wahrheit erkennen können – die Wahrheit, dass alles im Vergessen endet.« Er hielt den Blick abgewandt, während er vorsichtig einen weiteren dunkelhäutigen Kopf mit langen Haaren aufsammelte. »Wie gut, dass diese armen Seelen keine Kehlen mehr haben, um irgendwelche Geräusche hervorzubringen, denn sonst hätten wir womöglich ein ziemlich scheußliches Streitgespräch am Hals.«
    »Dann zweifelst du also an deinen eigenen Worten.«
    »Das tue ich immer, Karsa. Auf einer weltlicheren Ebene sind Wörter wie Götter – ein Mittel, um das Entsetzen auf Distanz zu halten. Ich werde von dieser Geschichte wahrscheinlich Alpträume haben, bis mein Herz alt sein wird und aufhört zu schlagen. Unzählige Köpfe mit allzu wachen Augen in Seehundfelle einzuwickeln … Und jedes Mal, wenn ich einen eingewickelt habe – zack!, taucht auch schon der nächste auf.«
    »Deine Worte sind nichts als töricht.«
    »Oh, und wie viele Seelen hast du der Dunkelheit überantwortet, Karsa Orlong?«
    Die Augen des Teblor wurden schmal. »Ich glaube nicht, dass sie die Dunkelheit gefunden haben«, erwiderte er leise. Nach einem Augenblick schaute er beiseite; eine jähe Erkenntnis ließ ihn verstummen. Vor einem Jahr hätte er jemanden, der so etwas gesagt hätte wie Torvald gerade, getötet, sobald er bemerkt hätte, dass die Worte ihn verletzen sollten – was allerdings ziemlich unwahrscheinlich war. Vor einem Jahr waren Worte schlichte, lästige Dinge gewesen,

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