SdG 07 - Das Haus der Ketten
groß wie ein Mensch. Der Hauptmann und der Leutnant hatten sich durch die Perspektive täuschen lassen. Wahrscheinlich mit verhängnisvollen Folgen.
Er blinzelte nach unten, wunderte sich über den merkwürdigen Schimmer und griff nach dem Seil, um den Stein wieder hochzuziehen-
Doch da zuckte tief unten eine riesige Hand empor, packte das Seil – und zog daran.
Kalam schrie auf, als er in die wirbelnde Strömung gerissen wurde. Noch während er ins eisige Wasser stürzte, machte er sich in dem Versuch, das Speerbündel zu erwischen, so lang wie möglich.
Es gab einen gewaltigen Ruck, und die Speere brachen mit einem lauten, splitternden Geräusch direkt über ihm mittendurch.
Der Assassine ließ das Seil nicht los, auch dann nicht, als die Strömung ihn mitriss. Er spürte, wie er in die Tiefe gezogen wurde. Die Kälte war betäubend. In seinen Ohren knackte es.
Dann wurde er von einem Paar riesiger, in Panzerhandschuhen steckender Fäuste näher herangezogen – näher, bis das Gitter am Helm der Kreatur direkt vor ihm war. In der wirbelnden Dunkelheit hinter diesem Gitter konnte er ein verfaultes, tierisches Gesicht ausmachen; das Fleisch hing in Fetzen, die sich in der Strömung bewegten. Zähne grinsten in einem lippenlosen Mund -
Und dann sprach die Kreatur in Kalams Geist. »Die anderen beiden sind mir entwischt … aber dich werde ich nicht mehr hergeben. Ich habe solchen Hunger – «
Du hast Hunger?, erwiderte Kalam. Dann versuch doch mal das hier.
Er rammte der Kreatur seine beiden Langmesser in die Brust.
Ein donnerndes Bellen, und die Fäuste schossen aufwärts, stießen Kalam weg – härter und schneller, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Beide Waffen kamen mit einem Ruck frei, der sie ihm fast aus den Händen gerissen hätte, doch er hielt eisern fest. Die Strömung hatte keine Zeit, ihn zu packen, als er aufwärts geschleudert wurde und in einer explodierenden Wasserfontäne durch das Loch hinausschoss. Er streifte mit einem Fuß den Rand, verlor dabei seinen Stiefel und krachte so heftig gegen die niedrige steinerne Decke der Kammer, dass ihm der Aufprall den letzten Rest Luft aus den Lungen trieb. Dann fiel er zu Boden.
Er landete halb auf dem Rand des Lochs und wurde beinah wieder in den Fluss gerissen, doch indem er Arme und Beine so weit wie möglich ausstreckte, schaffte er es, sich festzuhalten, und schließlich gelang es ihm, von dem Loch wegzukriechen. Dann lag er, den Stiefel neben sich, reglos und betäubt da, bis er wieder in der Lage war, mühsam seine Lungen mit der bitterkalten Luft zu füllen.
Er hörte Schritte auf der Treppe, und dann stürzte Strang in den Raum und kam schlitternd direkt vor Kalam zum Stehen. Der Sergeant hielt in der einen Hand sein Schwert, in der anderen eine Fackel. Er starrte auf den Assassinen herunter. »Was war das für ein Lärm? Was ist passiert? Wo sind die verdammten Speere – «
Kalam rollte sich auf die Seite, blickte über den Rand in die Tiefe.
Die schäumende Strömung war undurchsichtig – getrübt von rotem Blut. »Hört auf«, keuchte der Assassine.
»Hört auf? Womit? Schau dir das Wasser an! Womit sollen wir aufhören?«
»Hört auf … aus dieser Quelle … Wasser zu holen.«
Es dauerte lange, bis der Schüttelfrost seine Glieder verließ, allerdings nur, um ihm die zahllosen schmerzenden Stellen zu Bewusstsein zu bringen, die von seinem Aufprall an der Decke herrührten. Strang war gegangen und mit weiteren Mitgliedern seiner Kompanie zurückgekehrt, unter anderem Sünd, und sie hatten Decken und mehr Fackeln mitgebracht.
Es gestaltete sich mehr als schwierig, Kalam die Langmesser aus den Händen zu nehmen. Als sie es endlich geschafft hatten, wurde deutlich, dass die Griffe irgendwie die Handflächen und Fingerspitzen des Assassinen versengt hatten.
»Kälte«, murmelte Ebron. »Das war Kälte. Von der Kälte verbrannt. Was hast du gesagt – wie hat das Ding ausgesehen?«
Kalam, der in Decken gehüllt dahockte, blickte auf. »Wie etwas, das eigentlich schon lange tot sein müsste, Magier. Sag mir, was weißt du über B’ridys – über diese Festung?«
»Wahrscheinlich weniger als du«, erwiderte Ebron. »Ich wurde in Karakarang geboren. Das hier war ein Kloster, oder?«
»Ja. Von einem der ältesten, längst vergangenen Kulte.« Ein Trupp-Heiler kniete neben Kalam nieder und machte sich daran, seine Hände mit einer Salbe zu bestreichen, die alle Empfindungen betäubte. Der Assassine lehnte
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